Reise-/ Expeditions Blog

An Bord S/V Tilvera

24/04/2024 // 150 SM südwestlich von Svalbard
8. Tag auf See

Ein kurzer Rückblick

 

Die Reise hat schon turbulent angefangen. Arbeiten bis Freitag abends Dienstschluss, der Zubringerflug ZRH – FRA hat schon 40min Verspätung – dementsprechend schafft meine grosse Dufflebag den Anschluss nach KEV nicht. Bis in Island der ganze Sachverhalt geklärt ist und ich endlich im Hotel in Reykjavik bin ist die Nacht beinahe schon vorbei.

 

Samstags mit dem Morgenflug weiter von RKV Domestic nach Akureyri.  Belen schafft es erst am Nachmittag mich von dort abzuholen – in Nordisland ist immer noch tiefster Winter, Schnee herab bis zu den Fjorden, Pässe & Hochland noch immer im Winterkleid. In Akureyri erledigen wir gleich den ersten Grosseinkauf für die kommende Querung über Jan Mayen nach Svalbard: nach gut zweieinhalb Stunden schieben wir 6 übervolle grosse Einkaufswägen auf den Parkplatz und machen den Pick Up bis unters Dach voll.

 

Als wir am frühen Abend dann endlich in Husavik an der Pier parken trifft mich schier der Schlag als ich die Tilvera sehe – eine einzige Grossbaustelle. Die Toiletten im Vorschiff sind ausgebaut - sie sind defekt und müssen incl Steuerung der Elektronik ausgetauscht werden; Elektrik, überall offene Schächte und Wartungsklappen, herumliegendes Werkzeug & Ersatzteile allerorten. Und morgen sollen wir auslaufen – echt jetzt?

 

Heimir mittendrin und – wie es seine Art ist – völlig tiefenentspannt. «Kein Problem» meint er grinsend, «den kommenden Sturm müssen wir sowieso noch im Hafen abwettern, das wollt ihr nicht wirklich draussen erleben. Vor Dienstag kommen wir hier nicht weg.». Viel Arbeit & viel Leerlauf in den kommenden Tagen – 15 – 18h / Tag: putzen, Proviant stauen (haltbare Sachen in Schränken, unter & hinter den Sitzbänken in der Messe, Kühlgut in Kühl- und Eisschrank sowie kistenweise Obst, Gemüse, Getränke nach unten in die Bilge), Werkzeuge & Teile suchen (in der Werkstatt sowie auf dem Schiff…), schleifen, grundieren, lackieren, nochmals ein Grosseinkauf. 

 

Das Wetter ist scheusslich – der Windmesser zeigt im Hafen (der wiederum in einem geschützten Fjord liegt) 40 – 45kts aus NW, der Schnee peitscht waagrecht über die Pier, Gischt weht von den Wellenbrechern herüber. Scheisse, will ich das wirklich machen? Ich bin grottenfroh, dass ich meinen Expeditionsparka mit dabei habe… Auch meine Tasche ist mittlerweile aufgetaucht und kommt letztendlich mit 36h Verspätung in Akureyri an. Gut, dass wir durch den Sturm noch im Hafen festgehalten werden…

 

Teilweise haben wir das schönste Wetter, dann locken zartblauer Frühlingshimmel & der fast 500m hohe Hausberg von Husavik. Aber leider ist weder Zeit für einen Ortsbummel mit der Kamera geschweige ein Hike & Fly… Seit Sonntag sind bereits die ersten Gäste an Bord; ich komm’ nur ab & zu an die frische Luft wenn ich was aus der Werkstatt holen / bringen soll… 

 

Als Neuerung hat Heimir Davits für das Dingi im Heck gebaut (letzte Saison wurde das Dingi bei längeren Passagen oder Querungen mit dem Flaschenzug auf’s Deck geholt) – eigentlich eine Winterarbeit, sollte auch längst fertig sein. Aber er & Sam haben erst am Samstag damit angefangen und sind bis zur letzten Minute mit Messen, Schweissen und wieder Messen beschäftigt. Die beiden Aussenborder für die Dingis müssen natürlich auch noch an Bord, der Stapler bleibt auf der Pier im Schnee stecken. Noch eben mal schnell zur Tankstelle & 5x 20l Tanks für die Aussenborder füllen. Das Dingi aus dem Winterschlaf holen und mit 5 Mann zur Pier wuchten bis wir es an den Flaschenzug hängen können. Zuwenig Fleisch? Nochmals Supermarkt, der natürlich hier in Husavik eine viel kleinere Auswahl als Akureyri hat. 

 

Montag abend 21.30 Uhr kommt der bereits für Sonntag bestellte Lachs – 2 Fischkisten voll, 30kg. «Müsste noch portioniert & eingefroren werden»: Also 2h Fisch geputzt & Steaks geschnitten, mehrmals Messer geschliffen, portioniert & eingefroren. Glücklicherweise ist der Lachs schon ausgenommen. Und, und, und – die Liste lässt sich beliebig fortsetzen. Montag Mitternacht dann eine letzte ausgiebige Dusche an Land (um Wasser an Bord zu sparen & den Platz in einem normalen Bad zu geniessen). 

 

Dienstag am frühen Abend heisst es dann tatsächlich Leinen los. Der Diesel fängt zu hämmern an, läuft warm. Einiges Volk kommt noch um uns – eigentlich Heimir & Belen – zu verabschieden, wünscht uns eine gute Überfahrt. Heimir lässt das grosse Horn 3x lang ertönen, die Pier gleitet vorbei, winkende Hände. Mir wird mulmig – auf was hab ich mich da wieder eingelassen?

 

Und trotz Reisetabletten werde ich seekrank, gleich in der ersten Nacht. Im nachhinein erfahre ich, dass ausser Heimir & Belen alle an Bord (also 12 Personen) während der Überfahrt seekrank waren – einige mehr, andere weniger. Ich war eher im Mittelfeld.

 

Klar, es war von Anfang an ruppig - wir laufen gegen einen 40kts Wind an und kämpfen gegen die Dünung. Ich habe vorher auch nicht gewusst ob ich seefest bin oder nicht. 360 Seemeilen bis Jan Mayen, unserem ersten Etappenziel…

 

Gekotzt hab’ ich eigentlich nicht – aber den Dienst eingestellt, kitchen closed. Fast 3 Tage nichts mehr gegessen oder getrunken. In der Koje in der Waagrechten geht es noch einigermassen; ich habe - um nicht wegen des Seegangs und der Schiffsbewegungen aus der Koje geworfen zu werden – die Segeltuchplane unter der Matratze herausgenommen und mit den Karabinern an der Wand angeschlagen. Aber mit jeden Aufstehen, also der Verlagerung aus der waagrechten in die senkrechte Position ist es wieder vorbei. Jeder Toilettengang eine Herausforderung & eine Qual. Die Toiletten sind fensterlos. Das Schiff beschreibt eine unregelmässige acht bei Dünung von gut 6 Metern, erbebt unregelmässig wenn es wieder einen Schlag bekommt und dann ins nächste Wellental fällt. Du keilst Dich in der Toilette ein, die Blase zum platzen voll aber kannst Dich nicht entspannen. So muss sich ein 85jähriger mit Prostataproblemen fühlen… Ich bin zu nichts zu gebrauchen. Teilweise kann ich mich morgens dazu aufraffen Frühstück für die Truppe herzurichten, was bei dem Seegang schon ein Kunststück für sich ist. Aber der Geruch von Gewürzen & warmen Essen treibt mich jedes Mal schnell wieder in die Flucht.

2 Tage später taucht der 2.277m hohe Beerenberg, das Wahrzeichen von Jan Mayen über der Kimm auf. 

 

Der aufziehende Morgen ist windstill, klar und wunderschön; es steht aber noch eine erhebliche Dünung. Und – es hat aufgeklart, in dieser Gegend eine Seltenheit: der Beerenberg ist rund 320 Tage im Jahr in Wolken. Jetzt leuchten die Gletscher des erloschenen Stratovulkans in der Ferne und werden stündlich grösser. Und  - morgens um 0500 ertönt der Ruf «Wale!» Eine Schule Entenwale (bottlenose whale) taucht auf. Damit ist erwiesen, dass sie auch in der Gegend um Jan Mayen vorkommen. Babsi, unsere Walforscherin erzählt uns viel über diese Spezies die uns noch eine Zeitlang begleiten. Aber – viel Zeit bleibt nicht, das nächste Sturmtief ist uns dicht auf den Fersen, wir haben die buchstäbliche Ruhe vor dem (nächsten) Sturm. Dementsprechend müssen wir zusehen dass wir ums Nordkapp herumkommen und im Lee des Beerenberges Schutz suchen.

 

Von SW zieht langsam graue Sturmbewölkung auf und mutiert schliesslich zu einer schwarzen Wand die schnell immer näher kommt. Wir kommen zwar noch rechtzeitig ums Nordkapp herum bevor uns der Wind trifft, schaffen es aber nicht mehr rechtzeitig die Segel zu bergen und müssen dies schliesslich bei 50 – 55kts Wind, heranfetzendem Wasserstaub, Gischt und Schneetreiben machen. Und das, obwohl wir im Lee (also Windschatten) des Beerenberges sind. Der Sturm jault als Fallwind die Hänge, Colouirs und Klippen herab, heult in den Wanten und der Takellage und lässt die Tilvera unruhig an der Ankerkette schwojen. Bereits gut 150 m vom Ufer entfernt ist eine Wellenhöhe von 80cm – 1m erreicht, der Wind reisst grossflächig Gischtfetzen über mehrere hundert Meter vom Wasser weg. Aber der Anker hält. Wenn nicht, würde es uns «nur» auf die offene See treiben – also keine Gefahr auf Grund zu laufen oder sogar zu stranden. Temperatur ist deutlich unter 0°C, wir sind blitzschnell bis auf die Knochen durchgefroren. Spätestens jetzt weiss ich, warum Skibrillen beim Segeln nützlich sind…

 

Tags darauf – mir geht’s wieder so einigermassen – versuchen wir im Rückseitenwetter der eben durchgezogenen Sturmfront in Richtung NO abzulaufen um den für uns günstigen Starkwind zu nutzen. Tun wir das nicht bzw. warten wir zulange erwischt uns das nächste Sturmtief das von NW – also Grönland – viel Wind & Schnee mitbringt. So weit, so gut – ja, bis wir einige Stunden später aus dem Dünungsschatten von Jan Mayen heraussen sind und sich die Wellenberge bis ins unendlich zu erstrecken scheinen. Ich werde zunehmend einsilbiger und liege abends wieder auf der Nase. 

Jan Mayen

Longearbyen Port

30. April / Svalbard/Spitzbergen

 

Am Freitag – also vor 4 Tagen – haben wir schlussendlich Svalbard erreicht. Gestern ist das Eis in den Fjord gekommen & hat alles dicht gemacht. Glücklicherweise habe wir noch am Samstag Diesel & Frischwasser gebunkert und liegen jetzt geschützt landseitig am Gästepier.

 

Einige Tage zuvor

Jan Mayen haben wir mit deftigem Backwind von 40kts / BF 9 verlassen. Nur unter Sturmfock wühlt sich die Tilvera durch Wellenberge von bis zu 6m und darüber, die von schräg achtern auflaufen und erst im scheinbar letzten Moment das Heck anheben um dann letztendlich unter dem Schiff durchzurauschen. Abenteuerlich – 2 – 3 mal höher als das Steuerhaus. Die Steuerwache ist wie bei diesen Bedingungen üblich mit Sicherungsleinen an Deck festgelascht. Mit den durchrauschenden Wellen kommt der Schoner teilweise ins Surfen, wir erreichen Spitzen von bis zu 14 kts; normale Reisegeschwindigkeit sind 5-6 kts. Bug und Vorschiff sind durch Gischt, Spritzwasser, Kälte und Schnee dick in Eis gepackt.

 

2 Tage später sind Wind und Swell soweit abgeflaut dass wir alles Tuch setzen können und Tilvera elegant durchs Wasser gleitet; auch ich fühle mich wieder einigermassen wohl und kann die restliche Querung des Nordatlantiks geniessen. Schliesslich schläft der Wind vollends ein, sodass wir die restlichen 130 SM unter Maschine zurücklegen müssen.

 

26. April, Longearbyen

Am Ankunftstag dann schliesslich Kaiserwetter. Schon am Vorabend (keine Nacht, ab Ende April Mitternachtssonne) kamen die schneebedeckten Gipfel der ersten Inselgruppen über die Kimm. Zartblauer Frühlingshimmel, die hochaufragenden Küstengebirge dick in Schnee gepackt und – endlich, das erste Wintereis. Die meisten unserer Gäste sind zum ersten Mal in der Arktis, noch dazu in diesen hohen Breiten und sind dementsprechend fasziniert vom Eis. Für mich ist die Situation eher gewöhnungsbedürftig da mir das mehrjährige Wintereis sowie die grossen Eisberge Ostgrönlands abgehen… Wir verbringend diesen herrlichen Tag beschaulich in den Eisfeldern treibend und lassen uns von der Sonne verwöhnen. Spät nachmittags machen wir uns auf den Weg um die letzten Seemeilen durch das immer dichter werdende Eis das im Is- und Adventsfjord liegt nach Longearbyen zurückzulegen. Um Heimir offene Waken und Wasserrinnen anzeigen zu können lasse ich mich im Bootsmannstuhl im Hauptmast auf luftige 20m hinaufwinschen: dort oben ein Gefühl wie mit dem Gleitschirm im Landeanflug mit einem grandiosen 360° Panorama im orangenen, tiefstehenden Abendlicht.

 

Spätabends machen wir am Gästekai fest; es gibt ein verspätetes festliches Abschiedsessen mit im Ofen gebackenen, in Olivenöl, Knoblauch und Zitrone marinierten isländischen Lachssteaks, frisch gemachten Kartoffelpüree mit viel Butter sowie blanchiertem Brokkoli, zum Dessert Schokoladenpudding mit in Rum ertrunkenen Rosinen an Vanillesauce. Es wird schlussendlich eine lange Nacht, bei der sämtliche Biervorräte ins Nirvana übergehen. Jo, der Skipper der Rembrandt van Rijn und ein alter Freund von Heimir unterstützt uns bei seinem Blitzbesuch tatkräftig dabei.

 

Sonst ist an den kommenden zwei Tagen bis die neuen Gäste von Ice Axe Expeditions (US) kommen viel Zeit – und noch mehr Arbeit: Putzen, Waschen, Grosseinkauf, Küche umbauen & weiter optimieren, Vorräte stauen, Inventur machen, Kabinen für die neuen Gäste herrichten und viel Zeit für neue Bekanntschaften. So viel schöne Schiffe mit soviel Input und Networking…

 

Gestern Morgen, als ich mit meinem Morgenkaffee an Deck komme dann die grosse Überraschung – der ganze Fjord komplett mit Eis gefüllt, die Schollen liegen dicht an dicht gepackt. 2 polnische Segler sind in der Nacht mit dem Eis zusammen eben noch gerade so reingekommen, jetzt ist alles dicht. Nach Aussage des Hafenmeisters die schwerste Eislage seit Jahren und wir mittendrin… Wetter die letzten Tage bedeckt, teilweise windig mit leichtem Schneefall, Temperatur deutlich unter 0°C. Heute müssen wir mit dem Aufklaren fertig werden, morgen kommen die neuen Gäste. Und dann müssen wir weitersehen ob wir hier rauskommen oder nicht…

Longearbyen

30./31. April 

Viel Arbeit… Kabinen geputzt, Betten neu bezogen und fertig gemacht, Generalreinigung im Schiff durchgeführt sowie ein weiterer Grosseinkauf. Aber auch Zeit, um andere an der Pier liegende Segler zu besuchen – Jo auf der Rembrandt, die Ocean Sherpa und einige andere mehr. Am 01. Mai wollte ich morgens noch frisches Brot besorgen und stand natürlich vor verschlossenen Türen – keiner von der ganzen Crew hatte auf dem Schirm dass heute Feiertag war… Dementsprechend war dann Brotbacken an Bord nach einem längeren Spaziergang angesagt. Ach ja – Julie (1. Maat) ist auch gekommen – Ersatz für Belen, die nach Island zurück muss. Absolut patente Frau, fährt schon seit 15 Jahren (noch unter dem Vorbesitzer Heinz) jeden Sommer auf dem Schiff. Dementsprechend gross sind ihre Erfahrung und Kompetenz. Wir werden uns mit dem Kochen abwechseln, das verschafft mir dann doch etwas Luft.

 

 

01.Mai

Der Fjord ist auch heute noch dicht mit Eis bepackt. Der Wind ist immer noch auflandig, kommt also aus der falschen Richtung um das Eis auf die offene See hinauszudrücken. Wir versuchen unser Glück,, kommen allerdings nicht allzu weit – es gibt keine offenen Rinnen in die wir uns hinein- und hindurchzwängen können, die Schollen und Eisflösse liegen dicht an dicht, sind mehrheitlich sogar ineinander verkeilt. Um uns über die Schollen zu schieben und diese zu knacken fehlt uns mit unserem Spielzeugschiff von 22m Länge und 58 to einfach die Masse wie auch die Motorisierung. Aber Entsatz naht – ein alter schwedischer Eisbrecher, modernisiert und im zweiten Leben ein Kreuzfahrtschiff - hat heute ebenfalls neue Gäste bekommen und kommt uns zur Hilfe; er macht den Weg für uns frei. Da wir fast 8 Stunden im Eis festgelegen haben kommen wir dementsprechend erst spät abends in den nächsten Fjord, wo wir mittels zwei Eisschrauben an der Eiskante festmachen.

02. Mai

Morgens nach dem Aufstehen sehe ich Fuchsspuren die um das Schiff herumlaufen und in Richtung des anderen Ufers in der Ferne verschwinden. Noch ist es bedeckt, aber von Westen beginnt es aufzuklaren: die tief verschneiten Berge des Vorlandet leuchten bereits im Licht. Die Skitruppe macht eine kurze Tour und ist mittags wieder an Bord. Schön, dass im Gegensatz zur Querung die Leute mal von Bord sind und Frieden auf dem Schiff herrscht… Zeit um abzubacken, den nächsten Teig für die tägliche Brotbäckerei vorzubereiten, die Toiletten zu reinigen und ein Schläfchen zu machen. Mittags holt David die Gäste mit dem Dingi wieder vom Ufer ab, wir gehen auf See – Kurs Nord. Nachdem der Forlandsund (vor Dünung und westlichen Winden geschützt von Forlandet, einer langezogenen Insel) noch vom Wintereis blockiert ist müssen wir wieder auf die offene See hinaus und das Prins Karl Forlandet im Westen umrunden. Das Wetter ist ruhig. Zunächst sonnig, kaum Wind, leichter Swell von SW mit 1 – 1,5m. Ich habe gleich die erste Ruderwache bekommen und geniesse das Licht & die prickelnde kalte Luft. Nach 4 Stunden dann Ablösung durch Julie – aber mein Job geht weiter: ich muss in die Kombüse und das Abendessen vorbereiten – Älplermagronen.

 

Um irgendwelchen Missverständissen vorzubeugen: an Bord gibt es keine High Tech Gastroküche, die Tilvera hat schon 25 Jahrte Dienst auf dem Rücken. Küche – das heisst eine Doppelspüle, ein Abtropfgitter für sauberes Geschirr. Im Eck die grosse Kaffeemaschine, daran anschliessend ein 4flammiger Standardherd (keine Induktionsplatten), darüber Gewürzregale. Um 90° abgewinkelt in Richtung See dann die einzige Arbeitsfläche von gut 2m, dahinter in die Wand eingelassene Schränke für Gewürze, den Tagesbedarf an Marmelade, Müsli, Trockenfrüchten & Co für das Frühstück. Anschliessend Geschirr. Unter der Arbeitsplatte der Backofen (ebenfalls Haushaltsmodell), eine Reihe Schubladen mit Besteck, Messern, Kochutensilien. Töpfe, Pfannen, Mixer sind ebenfalls unter dem Herd und der Arbeitsplatte verstaut – das wars. Mit zwei Leuten in der Kombüse kriegt man Platzangst da man sich nicht mehr umdrehen kann und Gefahr läuft, dem Beikoch oder Helfer das Messer irgendwo hineinzustossen… Einzige Neuerung ist ein brandneuer Thermomix, der vor allem beim Zwiebel- und Knoblauchwürfeln gute Dienste leistet & wertvolle Zeit spart.

 

Die Tilvera rollt fürchterlich in der immer noch leichten Dünung da wir nahezu parallel zu den Wellen unterwegs sind – ich muss die Töpfe auf dem Herd sichern damit sie nicht ins Rutschen kommen. Einmal mehr überkommt mich leichte Übelkeit. Aber Zähne zusammenbeissen und durch, die Truppe hat Hunger & braucht was zu futtern. Als wir nach einiger Zeit endlich auf N eindrehen wird es schlagartig besser, ich bringe das Essen pünktlich auf den Tisch. Als dann 1,5 kg Speck mit 4 grossen Zwiebeln in der Pfanne brutzeln merke ich, dass ich den Geruch im Moment nicht wirklich vertrage… Abendessen für mich gestrichen, aber ich mache tapfer weiter. Abwasch übernimmt heute abend David, ich ziehe mir nach dem Servieren meine warmen Klamotten an: lange Fleeceunterwäsche, Goretexhose, Winterstiefel, meinen altgedienten Islandpulli und darüber den dicken 66°Nord Winterparka. Für den Kopf die Fleecemütze und darüber die Pelzmütze mit den Ohrenklappen, dazu Winterhandschuhe, einen Kaffee & meine unvermeidliche Pfeife – die nächste 4 stündige Steuerwache kann beginnen.

 

Mittlerweile hat es sich zugezogen, der Wind ist fast eingeschlafen und wir laufen unter Maschine mit 6kts durch die ölig-glatte See nach Norden. Wunderschöne Streiflichter liegen punktuell auf einigen der schneebedeckten Hänge des Küstengebirges, deren Gipfel von tiefen Wolken verhangen sind. Fast alle Gäste sind unter Deck, nur der Skipper streckt ab und zu seinen Kopf aus dem Steuerhaus und schaut ob ich noch da bin. Dementsprechend kann ich die Ruhe und Stille der dämmrigen Nachtstunden geniessen. Und – mein Hunger kommt an der frischen Luft zurück. Dementsprechend lange ich zusammen mit Heimir bei der Wachablösung um 2400 beim Mitternachtsimbiss zu, bevor ich nach 19 Stunden auf den Beinen in die Koje falle. Schnell schlafen heisst jetzt die Devise, denn um 0400 muss ich wieder zur nächsten Wache antreten – effektiv bleiben also gut 2,5h Schlaf. Das ist wie in alten Zeiten zu Beginn meiner Fernfahrerzeit…

Ymer Bugta

Signehamna, Krossfjorden

03. Mai

Um kurz nach vier bin ich mit dem dringend nötigen Kaffee fröstelnd wieder an Deck; jetzt ist es nicht mehr weit, wir sind bereits in den Kronfjord eingebogen und machen kurz nach 0600 in einem Nebenfjord mittels zwei Eisschrauben wieder an der Eiskante fest. Spannend ist das schon. Strickleiter über Bord, erste tastende Schritte auf dem Wintereis. Hält es am Rand? Fest Schritte, einige Hüpfer – es hält. Eine Eisschraube 15m vom Bug im 30° Winkel gesetzt, das von Heimir geworfene Tau befestigt; am Heck dasselbe Spiel. Und dann noch gleich mit der Kamera losgezogen um das Morgenlicht einzufangen. Ohh – um es nicht zu vergessen – zuallererst bevor man von Bord geht ein langer prüfender Blick über das Eis und die Küstenlinie, dann noch einer mit dem Feldstecher: man möchte ja nicht zum Bärenfrühstück werden…

 

Als ich wieder zurück an Bord bin beginne ich mit den Frühstücksvorbereitungen. Obst aus der Bilge holen, waschen & schneiden, Brot aufbacken, am Abend zuvor zubereitetes Porridge kochen. Und – heute gibt es Pancakes als Zugabe, die Amis lieben das. Aber weiss der werte Leser überhaupt wie lange es braucht, um für 14 Leute Pfannkuchen herauszubacken? 12 Eier, ca. 1,5l Milch und 1kg Mehl wollen verarbeitet sein.

 

Um 1000 ist die Skitruppe mit den beiden Bergführern von Bord, der Frühstückstisch & die Küche ein Schlachtfeld. Aber der Kampf ist gewonnen. Abbacken, Abwasch, Teig für die nächsten Brote vorbereiten. Toiletten & Kabinen macht heute David, Julie kümmert sich um die Vorbereitung für den Lunch wenn die Gäste zurückkommen. Ich geh ins Bett & ziehe den Stecker.

 

Als ich zwei Stunden später wieder zu mir komme ist Kaiserwetter: knallblauer Himmel, Schnee & Eis blenden mich beim ersten Kaffee. Die Skitourengeher haben mittlerweile gut 1200HM hinter sich & sind bald am Gipfel, es weht ein eiskalter 15kts Wind von den östlich gelegenen Gletschern herüber.

 

Nachdem mir Heimir leider kein grünes Licht für ein Hike & Fly Abenteuer gibt muss ich mich mit Groundhandeln auf dem Eis begnügen. Aber das macht bei den Windbedingungen auch mächtig Laune. Es ist verdammt schwer, den leichten Single Skin bei den Bedingungen überhaupt in die Luft zu bekommen, ich werde oft mehrmals über viele Meter übers Eis gezogen. Aber wenn er dann mal steht dann steht er :-)... 

 

Nachdem die Skitruppe wieder zurück ist machen wir ein BBQ auf dem Eis. Bier, Bratwurst vom Grill, frisch gebackenes Naanbrot sowie Couscous.

 

Todd, der Leadguide von Ice Axe schimpft ordentlich mit mir als ich ihm erzähle, dass ich ebenfalls ein begeisterter Skitourengänger bin. "Why didn't you take your equipmend with you? We would have taken you with us for minimum one day". Schön das zu wissen - nächstes Mal sind meine Ski mit Sicherheit dabei.

 

Über Nacht bleiben wir an der Eiskante liegen und können Schlaf nachholen. Morgen früh dann eine Überraschung für die Gäste...

Kongsfjorden

04. Mai

Da das Wetter immer noch gut ist, beschliessen wir am Vorabend unseren Liegeplatz in Signehamna zeitig zu verlassen und unseren Gästen das gewaltige Panorama des Brückner- und Lillehöökgletschers am Ende des Fjordes zu präsentieren – im Morgenlicht, das Frühstück angerichtet im Ruderhaus. Das ist zwar für die Küche ein erheblicher logistischer Aufwand (Ruderhaus muss aufgeklart werden, sämtliche Frühstücksutensilien müssen über eine steile Treppe nach oben, die Fenster müssen aussen von Salz und Schlieren befreit werden), ist aber die Mühe wert. Begeisterung von allen Seiten als die ersten Leute zum Frühstück zu den Klängen von Ludovico Einaudis «Elegy to the Arctic» erscheinen.

 

 

Die Gletscherfronten werden mit jedem Meter den die Tilvera zurücklegt grösser, gewaltiger und eindrücklicher. Je näher wir dem Fjordende kommen desto dichter wird auch die Eisbedeckung: einiges an kleinerem Kalbeis, umso mehr an Wintereis das sich in grosse Platten gebrochen langsam bewegt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Als alle Mann/Frauen versorgt sind und die dritte Kanne Kaffee durchgelaufen ist verziehe ich mich zu meinen Lieblingsplatz im Bug um um dem Trubel zu entfliehen und die gewaltige Szenerie in Ruhe betrachten zu können: das Genua(segel) bildet eine natürliche Hängematte – perfekt…

 

Der Schiffsdiesel schweigt, ebenso der Generator – Stille. Wie schön wäre es jetzt alleine im Zelt, ohne das ständige Geschnatter & Hintergrundrauschen – einfach sitzen, schauen, die Szenerie auf mich wirken lassen. Aber das ist mit Gruppen einfach nicht möglich. Menschen sind Stille nicht mehr gewohnt, meinen immer die vermeintliche Leere füllen zu müssen. Als dann ein grosser Kreuzfahrer von National Geografic kommt ist der Zauber endgültig gebrochen. Heimir startet den Diesel, wir laufen ab – die Kids wollen spielen gehen 😊…

 

Zwei Stunden später sind wir in der Tinayrebukta. Heimir parkt die Tilvera dieses Mal nicht parallel zur Eiskante sondern bahnt sich zuerst vorsichtig einen Weg durch das bereits morsche Eis, setzt nochmals zurück und geht dann mit Schwung nochmals hinein – passt, wackelt nicht & hat auch keine Luft mehr. Ich klettere über den Bug hinunter und prüfe vorsichtig die Belastbarkeit. Als ich sehe dass es gut ist, setze ich die zwei Eisschrauben und mache das Schiff fest. 

 

Mittlerweile ist an Bord hektische Betriebsamkeit ausgebrochen, unsere Gäste machen sich bereit zum Abmarsch. Die Ski werden aus dem Vorpiek geholt, Klettergurte angelegt und Eispickel an den Rucksäcken verstaut. Ein letzter prüfender Blick mit den Fernglas – Eisbären? Nein? Dann runter vom Schiff! Zuerst müssen heute gut 2 km über den gefrorenen Fjord zurückgelegt werden bevor der Aufstieg über zwei gewaltige Stufen auf den Fregattbreen auf gut 1.000m erfolgen kann. Die zweite Stufe ist so steil, dass die Truppe wahrscheinlich mit Steigeisen und den Ski auf dem Rücken vorgehen muss… 

 

Ein perfekter Tag für eine perfekte Skitour – heute fällt es mir verdammt schwer auf der Tilvera zurückbleiben zu müssen, zur körperlichen Untätigkeit verdammt. Das bin ich einfach nicht gewohnt.

 

Wir zurückgebliebenen spulen unser gewohntes Tagesprogramm ab – Schiff & Toiletten reinigen, Brot backen, das heutige Abendessen vorbereiten. Zusätzliche heutige Challenge: Backbords sind einige Rostblasen aufgeplatzt. Heimir beschliesst dass das Wetter in Verbindung mit dem Eis genau richtig ist um dies zu beheben; wenig später läuft der Generator und das Geräusch des Schwingschleifers erschallt über die Bucht.

Ny Alesund im Vorbeiflug

05. Mai

Es hat sich zugezogen heute morgen als wir unseren «Ankerplatz» in der Tinaryebukta verlassen und nach Süden steuern. Mit dem Glas sind am Ufer einige winzige Jagdhütten zu sehen als wir uns Kap Guisez an der Ostseite des Krossfjords nähern. Von Westen drückt die Dünung der offenen See herein, es wird etwas unruhig.

 

Trotz der tief hängenden Wolken geht unsere Skitruppe von Bord. David hat Mühe, sie mit dem Dingi über das kabbelige Wasser zum Ufer zu bringen. Es ist feucht-kalt, ungemütlich. Gerne verschwinde ich wieder unter Deck und mache mich an die Vorbereitung des heutigen Dinners – isländisches Lamm. Das muss genügend lange mariniert werden um dann abends richtig zu schmecken: Rosmarin, Olivenöl, Salz, Pfeffer, und viel Knoblauch. Dazu kommt dann noch Gemüse ab der halben Garzeit mit in die Bräter: halbierte Karotten und Zwiebeln. Frühlingszwiebeln schneide ich klein & verwende diese dann als Topping. Dazu eine Rotweinsauce mit eingelegten Rosinen… Bleibt nur die Frage ob ich mir die Arbeit für ein frisches Kartoffelpüree mache oder Bandnudeln dazu servieren soll – ich entscheide mich für die Mehrarbeit, David darf heute als Hilfskoch die Kartoffeln schälen; ganze 6 kg warten auf ihn.

 

Die Truppe kommt nach einigen Stunden tropfnass wieder an Bord; der Wind hat so aufgefrischt dass die Wellen Gischtkronen tragen und  der Transfer mit dem Dingi eine dementsprechend feuchte Angelegenheit ist. Da kommt die vorbereitete Suppe (die meistens aus aufgepeppten Resten des Vortages besteht) gut an. Nachdem die Forschungsstation Ny Alesund am Weg liegt machen wir dort für kurze Zeit halt für einen Landgang; ich bleibe an Bord, damit ich mich um mein Lamm kümmern kann. Und wehe wenn die Truppe nicht pünktlich wieder zurück ist und in der Kneipe versumpft – dann wird der Koch sauer weil das Essen verkocht.

 

Das Essen wieder ein voller Erfolg – die Amis fressen mir im wahrsten Sinne des Wortes aus der Hand. Nach dem Essen laufen wir wieder aus: eine lange Nacht liegt vor uns. Wir wollen nonstop in Richtung Süden und morgen nachmittag in Tryghamna vor Anker gehen. Das sind unter günstigen Bedingungen gut 20h Fahrt – ein sportliches Unterfangen mit einer 4er Crew. Glücklicherweise haben wir heute Zeit gehabt um etwas vorzuschlafen.

 

Die Fahrt war relativ ereignislos bis wir am Tag darauf gegen Mittag in die ersten Eisfelder müssen. Wir stossen zunächst auf lockeres Treibeis – nicht mehr als 2/10 – 4/10 das sich allerdings sehr schnell verdichtet. Ich gebe das Steuer bereitwillig wieder an Heimir ab… Was mit dem Kajak bei diesen Eisverhältnissen Spass pur gewesen wäre ist hier Schwerstarbeit für den Steuermann. Das Ruder reagiert erst 3-4 Sekunden zeitversetzt, sodass einiges an Erfahrung und Augenmass dazu gehört, die Tilvera ohne Rempler durch die Eisfelder zu bringen. Bald ist aber auch das nicht mehr möglich und David und ich machen uns im Bug mit langen Stangen bewaffnet parat um die Schollen, denen wir nicht ausweichen können, auf die Seite zu drücken. Das gelingt mal gut und auch mal weniger gut. Julie steht einstweilen mit dem Fernglas vor den Augen auf dem Steuerhaus und gibt Heimir die Richtung der günstigsten Routen in weniger eisgefüllte Gewässer an.

 

Nachmittags 1600 fällt der Anker, wir sind endlich da und fühlen uns wie durch den Wolf gedreht. Nur die Skitruppe ist quietschfidel und will noch eine Mitternachtstour machen. Logisch, die haben ja letzte Nacht ja mit vollen Bäuchen gut geschlafen und den ganzen Tag nichts zu tun gehabt. Dingi wassern, David sucht sich mit der ersten Gruppe kurz darauf mühsam einen Weg durch das immer noch dicht liegende Eis. Julie und ich bereiten währenddessen das Mitternachtsdinner so weit wie möglich vor und fallen dann wie tot in die Kojen.

 

Aber es sollen uns nicht mal zwei Stunden Schlaf vergönnt sein bis Heimir «Alle Mann an Deck» ruft. Mit dem ablaufenden Wasser hat sich unbemerkt ein Eisfeld genähert und die Tilvera in die Zange genommen. Beinahe hätten wir durch Pressung unser Dingi verloren – eingezwängt zwischen Bordwand und einer mächtigen, übermannshohen Eisscholle.

 

Alles gut, Dingi in die Davits genommen und damit gerettet. Aber wir müssen den Anker wieder heraufholen bevor der Druck des Eises so gross wird dass wir ihn vielleicht verlieren. Und das hat lange gedauert. Es ist ein zähes Ringen der Ankerhydraulik gegen den Druck des Eises. Die Winsch zieht die Tilvera entgegen der Zugrichtung des Eises, die Kette schneidet sich langsam durch die Eisschollen. Nach einer gefühlten Ewigkeit sehen wir den Anker im klaren Wasser aufkommen. Heimir schickt mich in die Koje, ich muss diese Nacht noch Eiswache übernehmen. Ich bin so kaputt dass ich im wahrsten Sinne des Wortes über meine eigenen Füsse falle und die Augen nicht mehroffen halten kann.

Barentsburg

06. Mai

Die Tilvera treibt die ganze Nacht im & mit dem Eis – lautlos, ohne Anker und ohne Maschine. Die Eiswache fungiert hier nur als Beobachter und soll melden, wenn Grosseis aufs Schiff zukommen sollte oder wenn das Schiff mit der Strömung an Land oder Klippen getrieben wird.

 

Während meiner Wache ab 0400 – ich habe geschlafen wie ein Stein und bin nach 6h Ruhe wieder leidlich wach – geht einige Male der Untiefenalarm los – das Echolot ist durch die Eisfelder in denen wir treiben etwas verwirrt. Kann auch nicht sein, nach der Karte haben wir über 100m Wasser unter dem Kiel. Was mir eher Sorgen macht ist die Drift – also die Summe von Strömung und Wind – die uns mit 2kts pro Stunde auf ein Felsinselchen zutreibt. Als es absehbar ist, dass uns dir Strömung dort wirklich anlanden will wecke ich Julie. Gemeinsam bringen wir die Tilvera wieder ins tiefer Wasser. Heimir scheint total erledigt zu sein und wie ein Stein zu schlafen. Die Eignerkajüte grenzt direkt an den Maschinenraum und der Skipper ist normalerweise sofort an Deck wenn der Diesel gestartet wird. Dieses mal jedoch Fehlanzeige – kein Heimir.

 

Auf Wunsch der Gäste laufen wir am Vormittag dann Barentsburg, die russische Kohlensiedlung an. Wenn die wüssten, dass sich unter unseren Gästen ein pensionierter U Boot Kapitän befindet, der über 30 Jahre auf Jagd- und Raketen U Booten der amerikanischen Marine zur See gefahren ist…

 

Barentsburg kenne ich noch nicht, bei meinem ersten Aufenthalt in Svalbard vor einigen Jahren mit der S/V Noorderlicht waren wir nicht dort. Ein Ort, der Traurigkeit ausstrahlt. Wahrzeichen sind die Schlote die schwarzen Rauch ausspucken: hier wird Kohle im Kraftwerk zur Wärme- und Stromgewinnung verbrannt – und das natürlich ohne Filter. Dadurch erkennt man die Siedlung schon von weitem. Beim Näherkommen stellt man dann fest, dass der Schnee immer grauer wird je näher man Barentsburg kommt. Eine Schande in der heutigen Zeit. 

 

Die Pier ist verwahrlost, aber wir werden sofort von Offiziellen in Empfang genommen die gleich wissen wollen wie lange wir zu bleiben gedenken und ob wir irgendwelche Touren buchen wollen; die Liegegebühr ist sofort im örtlichen Hotel zu entrichten… 

 

Der Ort ist relativ trostlos – viele der alten Holzgebäude sind verlassen und einsturzgefährdet, der Schnee ist dunkelgrau, fast schwarz. Man kann dabei zusehen wie Russkörner wie schwarze Schneeflocken vom Himmel fallen. Himmel, das wird einen Dreck an Bord geben.

 

Auch die farbige Ostblockarchitektur macht die Sache nicht besser, die Wohnblöcke passen hier einfach nicht her. Im Hotel nehmen wir dann – ziemlich überheizt für unsere Verhältnisse einen Imbiss zu uns. Ich suche das Örtchen auf und geniesse das im Vergleich zur Tilvera sehr grosszügige Platzangebot… Unsere Gäste bleiben an der Hotelbar hängen, wir als Crew machen uns bald wieder auf den Rückweg, das Abendessen – besser gesagt Abschlussdinner – will zubereitet werden. Einen Abstecher machen wir aber noch: wir wollen den lokalen Supermarkt sehen. Kein Vergleich zu den Konsumtempeln in Longearbyen; der Laden erinnert mich von Grösse, Sortiment und Ausstrahlung an die 90er Jahre im ehemaligen Ostblock... Ausserdem geht's heute Nacht noch nach Longearbyen zurück.

St Johns Fjord 

Einige Tage später

Wie sind mittlerweile schon geraume Zeit mit der zweiten Ski & Sail Gruppe unterwegs, die sich signifikant von der ersten Gruppe unterscheidet: War die erste Gruppe zu 90% männlich und durchschnittlich um die Ende 30 ist das Geschlechterverhältnis hier ziemlich ausgewogen und das Alter erheblich höher. Dementsprechend wird weniger gegessen – ich muss mich bei den Mengen umstellen. Getrunken haben beide Gruppen ungefähr gleichviel; die jüngeren eher Bier, die älteren eher harte Sachen.

 

Diese zweite Truppe hatte in den ersten Tagen etwas Pech mit den Windverhältnissen: auf See hohe Dünung in der Kombination mit viel Wind – wir sind erst am zweiten Tag mit Verspätung raus, das war wohl auch besser so. Auch diese Truppe ist sehr umgänglich & pflegeleicht.

 

 Im St. Johns Fjord machen wir wieder am Wintereis fest  - und hier komme ich bei leider nicht optimalen Verhältnissen zu meinem langersehnten, aber kurzen Flug. Dem Vorausgegangen war ein kurze Absprache mit dem Skipper und Todd, dem Leadguide. «Kein Problem» meint dieser, drückt mir seine Savage in die Hand und wünscht mir einen guten Flug.

 

Ich ziehe die Winterstiefel an, packe den Single Skin samt Frontcontainer und Sitzgurt in den Rucksack, lasse mir von Heimir noch zwei Signalfackeln geben, schnappe mir das Gewehr und gehe von Bord. Zum ersten Mal seit ziemlich genau 4 Wochen alleine und zum ersten Mal seit Wochen wieder Betätigung für die Füsse. Das Eis trägt trotz der warmen Temperaturen erstaunlich gut, ich muss nur in Ufernähe aufpassen dass ich nicht durchbreche. Für den Aufstieg halte ich mich an die Spuren unserer Skitruppe die bereits wieder zurück ist. In deren Track lässt es sich gut gehen und ich sinke nicht soweit ein. Bereits nach kurzer Zeit sieht die Tilvera unter mir wie ein Spielzeugboot aus, wobei ich Gelächter & Gespräche immer noch deutlich höre. Auf 400m Höhe mache ich Schluss, das ist so mit dem Skipper vereinbart, sonst kann ich mein Zeitfenster nicht einhalten. Leichter Südwind liegt an der Kuppe, der Schnee ist verharscht und bietet somit perfekte Startkonditionen. Ich lasse mir Zeit beim Auslegen des Schirmes und dem Leinencheck, geniesse jede Minute ohne Menschen um mich herum zu haben. 

 

«Martin for Tilvera, Martin for Tilvera» melde ich mich beim Skipper als ich parat bin. «Ready for launch innert next 2 minutes.» Damit gebe ich unseren Gästen auch die Möglichkeit am Flug teilzuhaben: Der rot/blaue Schirm ist der perfekte Kontrast zum weiss/grau der verschneiten Hänge und des trüben Wetters. Der Startlauf ist kurz, das ist das schöne an dem leichten Schirm: einmal zupfen und die Kappe steht über dem Kopf; 3 maximal 4 Schritte und die Füsse verlassen den Boden – endlich wieder in der Luft - ich könnte schreien vor Glück.

 

Und auch wenn es nur ein kurzer Abgleiter ist – das Panorama ist traumhaft. Wintereis im Fjord, die Tilvera an der Eiskante wie ein Modellboot. Schwarz das offene Wasser unter bedecktem Himmel, weiss gesprenkelt von kleineren Eisbrocken. Aus Richtung Westen – Forlandsundet kommen grössere Mengen Eis in grossen Flössen in den Fjord, angetrieben von Strömung, Tide und etwas Wind. Eigentlich will ich einmal um die Tilvera herumfliegen und dann auf dem Eis landen, aber der Gleitwinkel des Schirms ist zu schlecht. Kurzerhand mache ich einige Wingovers bevor ich dann zuerst in Richtung Eiskante eindrehe und dann an ihr entlangfliege bis ich kurz vor der Tilvera Grund berühre.

 

Die letzten Tage habe ich kein Tagebuch mehr geführt, Schlaf ist wichtiger. Und die Tage ja immer noch lang. Der werte Leser darf gerne mal hochrechnen wie lange man allein für den Abwasch von 15 Personen incl Kochutensilien & Töpfen benötigt – und das 3x täglich. Dazu kommt dann noch das hinterherräumen von Snacks und leeren Bierdosen… Eine nie enden wollende Aufgabe….

 

 

Auch die letzten Seiten habe ich mehr aus dem Gedächtnis geschrieben; es wird Zeit für ein (kurzes) Fazit:

 

Crew fantastisch, Chemie ebenfalls. Schmeckt nach mehr im kommenden Jahr. Die Arbeitslast ist bombastisch und die Bezahlung so lala - aber wegen des Gelds macht man so einen Job schliesslich nicht...

Und Seekrankheit muss ich dann wohl in Kauf nehmen.

 

@ Heimir, Belen - es liegt an Euch.

Von meiner Seite aus gerne wieder, dann auch länger.

Februar 
2023

Der Versuch eines Vorworts

Die Expedition des vergangenen Sommers geht mir schon seit - ja, eigentlich Jahrzehnten - durch den Kopf.

 

Von der Faszination, der vagen Idee bis hin zur letztendlichen Realisierung war es aber ein langer Weg.

 

Anfang der 90er Jahre habe ich einen Expeditionsbericht von Konrad Gallei in die Finger bekommen. Der hat in den 80er Jahren versucht, den Küstenabschnitt von Tasiilaq entlang der Ostküste zum Kap Farvel und weiter nach Nanortalik in Südgrönland mit seiner Partnerin in einem Klepper Aerius (Faltboot) zu bewältigen. Zu dieser Zeit gab es noch keine dehydrierten Lebensmittel, kein Satellitentelefon, das GPS steckte noch in den Kinderschuhen. Die Ausrüstung mutet nach heutigen Massstäben fast primitiv an. Klimawandel war zu dieser Zeit noch nahezu unbekannt, die Sommer in Ostgrönland erheblich kühler als heute mit entsprechend mehr Eis. Konrad konnte wegen der Eislage auch erst Mitte/Ende Juli ab Tasiilaq starten - also gut einen Monat später als wir.

Dem Buch ist zu entnehmen, dass er es nicht geschafft hat - er hat sich letztendlich ausfliegen lassen müssen, weil der Winter vor der Tür stand.

 

In diesem Buch habe ich auch zum ersten Mal von Gustav Holm gelesen: ein dänischer Marineoffizier, der in den 1880ern die sogenannte Frauenbootexpedition von Südgrönland die Ostküste nach Norden führte: 

Gustav Frederik Holm – Wikipedia

Bis zu diesem Zeitpunkt wusste man in Europa immer noch nicht ob in Ostgrönland überhaupt Menschen leben, da das dichte Packeis die Segler daran hinderte, bis zur Küste durchzudringen.

 

Als ich es 2014 endlich zum ersten Mal nach Ostgrönland geschafft und dort die ersten Paddelschläge gemacht hatte wusste ich, dass ich diese Tour unbedingt realisieren wollte - so sehr hatte mich Ostgrönland gepackt. Etwas verrückt & artic bitten war ich ja schon immer. Aber das? Ein richtiges Grossprojekt? Eine Expedition?

 

2019 war ich dann endlich soweit, die Planung für 2020 in Angriff zu nehmen. Kajaks & Ausrüstung lagerten bereits seit einigen Sommern in Tasiilaq im Container, ein Dreier Team war für den kommenden Sommer zusammengestellt.

Im März 2020 will ich noch an einer Skiexpedition in NO-Grönland teilnehmen und im Juni soll dann die Kajakexpedition starten. Im März, 10 Tage vor meinem Abflug nach Island  - Corona war längst in Europa angekommen - ruft mich eine Freundin aus Island an und sagt, dass alle Flüge gestrichen sind - shut down allerorten. Den Rest der Geschichte haben alle noch in Erinnerung...

 

2021 im Herbst beginnt die Planung mit neuen Teammitgliedern von Neuem, nachdem der Weg nach Grönland wieder offen ist. Ein Restrisiko eines erneuten Shutdowns kann aber nicht gänzlich ausgeschlossen werde und bleibt bestehen.

 

2022 im Spätwinter und Frühjahr laufen sämtliche Genehmigungsverfahren - Expeditionspermit, SAR Versicherung etc. Nahezu wöchentlich finden Calls mit Klaus und Susanne statt.  1000 Dinge müssen bedacht, organisiert und erledigt werden.

 

Im Gegensatz zu früheren Unternehmungen arbeiten wir auf dieser Unternehmung mit Back Office - meine Lebensgefährtin Bea und John aus Schottland versorgen uns während der Tour regelmässig mit Wetter- und Eisdaten. Das macht unsere Planung natürlich erheblich einfacher: wenn wir wissen, was auf uns zu kommt oder wie lange das gute/schlechte Wetter anhalten wird dann können wir uns entsprechend richten...

 

 

 

 

 

 

 

Es ist einfach technisch nicht möglich, für 60 Tage und mehr Ausrüstung, Verpflegung & Brennstoff in und auf die Kajaks zu packen. Aufgrund der vielen Unwägbarkeiten (und um uns nicht selber unter Druck zu setzen auch bei widrigen Bedingungen auf See zu müssen) entschliessen wir uns mit einem vorgeschobenen Depot zu arbeiten. Das ist zwar nicht billig und logistisch ein Alptraum - aber es nimmt Dampf aus dem Kessel. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Anfang Juni 2022 wissen wir immer noch nicht, ob wir das Permit letztendlich erhalten oder nicht. Der Antrag ist immer noch im Hearing Prozess bei den zuständigen Gremien der Grönländischen Verwaltung, des Arctic Command und der Polizei. Täglich kommen neue Nachfragen per Mail.

 

8 Tage bevor ich nach Grönland abreise, erhalten wir endlich grünes Licht für die Expedition - wir können starten!

 

Und noch eine Kleinigkeit am Rande - wir haben alles selber finanziert, ohne Sponsoren. Ich habe nicht einmal versucht, welche zu gewinnen. Ich will nicht abhängig sein und niemandem  verpflichtet ausser mir selber.

 

 

Martin

 

Karale Gletscher, Ostgrönland
Juli 2019

Foto - Bea Gisi

Expeditionstagebuch
20. Juni 2022
2. Reisetag
Qeerpik

Der heutige Tag war irre. Die letzte Nacht haben wir in der alten, verlassen Aussensiedlung Ikateq verbracht und dort Quartier in der alten Kirche mit angeschlossener Einraumschule gemacht. Nachmittags Schiesstraining mit der Savage .308, der Pumpgun sowie den Nico Signalgeräten. Schliesslich muss jeder von uns mit dem Material umgehen können und nicht lang erst lang nachdenken, wenn es einmal soweit sein sollte dass wir sie brauchen...

 

Start heute bei bestem Wetter gegen halb neun. Wir haben alle noch mit der Ausrüstung zu kämpfen, am zweiten Reisetag hat sich noch keine Routine beim Pcken eingestellt. Das Stauen der Kajaks braucht einfach noch seine Zeit  - aber das wird sich in den kommenden Tagen (hoffentlich)  schnell ändern. Die Eisbedeckung ist anfangs bei lockeren 5 - 6/10. Es ist so ruhig, dass wir direkt an der Fjordmündung den Sermilik queren und Kurs auf das gegenüberliegende, 10km entfernte Kap Tycho Brahae setzen können. Nach gut 2/3 wird das Eis erheblich dichter. Nachdem ersichtlich wird, dass die darauffolgende grosse Bucht Iisp Ilua wegen des dichten Eises unpassierbar ist - und auch keine Notwendigkeit besteht dort unter Land zu gehen - bleiben wir in den immer dichter werdenden Eisfeldern auf See.

 

Mittlerweile werden die Abstände zwischen den Eisflössen immer kleiner, unsere Geschwindigkeit immer geringer. Aber noch kommen wir im Zickzack zwischen den Schollen hindurch - aber es ist Schwerstarbeit, die vollen Seekajaks (die ja auf Kiel gebaut für den schnellen Geradeauslauf konzipiert  sind) durch die immer engeren, verwinkelten Gassen zu manövrieren. Immer wieder müssen wir die Eisäxte in die Hand nehmen, um Überhänge an den Schollen abzuhacken, damit unsere Kajaks durch die Engstellen passen.

 

Gestern abend hatten wir als heutiges Tagesziel den Nagtivit Fjord anvisiert - keine grosse Sache bei offenem Wasser und ruhigen Bedingungen. Anfangs sah es auch danach aus, als wäre diese Distanz machbar. Aber nachdem das Eis immer dichter wird kommen wir schnell davon ab. Als wir merken, dass sich die Eisfelder an der Küste zu stauen und zu komprimieren beginnen, versuchen wir unser Glück weiter draussen auf See. Als Fix- und Peilpunkt dient uns dabei die gut 5km dem Kap Qeerpik vorgelagerte Insel Immikkeerteq. Im fortschreitenden Nachmittag spekulieren wir auch darauf, vielleicht dort Camp machen zu können - aber Fehlanzeige. Die Insel ist ein einziger, hoch aufragender Felshaufen, umgeben von relativ steilen Klippen. Zudem ist hier draussen trotz der Dämpfung durch die Eisfelder der Swell deutlich spürbar. Die Wellen waschen meterhoch die glatten Felsen hinauf und nehmen dabei tonnenschwere Eisbrocken mit.

 

Es bleibt uns also letztendlich nichts anderes übrig, als uns durch das dichte Eis zur Küste zurückzukämpfen. Nochmals 4 Kilometer, und es ist bereits nach 1600 Uhr. Glücklicherweise ist es immer noch so gut wie windstill; die Eisfelder sind also nicht in Bewegung sondern fast statisch. Die Wasserrinnen werden allerdings immer verwinkelter und enger, die Flösse aus altem Wintereis liegen immer dichter aufeinander, einzig auseinandergehalten von ihren Eisfüssen unter Wasser. Dazwischen eingesprenkelt Eisberge: mit grossen Türmen, schroffen Zinnen und teilweise mit wunderschönen Durchbrüchen... 

 

Irgendwann geht es überhaupt nicht mehr weiter - wir müssen die Kajaks aus dem Wasser holen und über die Eisflösse ziehen.  Eisbärenland... Das Eis bildet immer mehr eine kompakte Masse, Kanäle sind faktisch nicht mehr vorhanden. Also stossen wir die Kajaks am Schollenende wieder ins Wasser, machen 1- 2 Paddelschläge um das Spiel dann wieder von Neuem zu beginnen. Teilweise funktioniert es aber auch, wenn wir den Bug des Kajaks in eine Spalte zwischen zwei Schollen positionieren und das Boot mit Hilfe des Eispickels in die Lücke ziehen - wie in Zeitlupe wird dann die Lücke grösser, wenn die Massen anfangen sich auseinander zu bewegen. Das funktioniert auch, wenn man sich in einer schmalen Lücke mit den Armen zwischen den Schollen einspreizt. Alles in allem - harte körperliche Arbeit, die uns ziemlich schlaucht. 

 

Mit zunehmender Ufernähe wird das Eis glücklicherweise wieder lockerer, sodass wir gegen 1900 am alten Siedlungsplatz Qeerpik anlanden können. Einen geeigneten Platz für's Camp finden wir 20, 25m ober halb der kleinen Bucht in einem Quertal mit Süsswassersee, Altschneefeldern und Blick aufs Eismeer.

Expeditionstagebuch
20. Juni 2022
3. Reisetag / 5 km
Kittermiit

Sonnig / morgends windig / mittags stürmisch / abends windstill

 

Heute morgen sind wir von der Sonne geweckt worden - tropische Temperaturen im Schlafsack - aber draussen ist es wegen des kalten NO Winds ziemlich ungemütlich. Daher unternehmen wir nach dem Frühstück zunächst eine kleine Wanderung auf die erhöhten Klippen südlich von unserem Camp; als wir merken, dass der Blickwinkel wegen der geringen Höhe zu flach ist, steigen wir nördlicher Richtung  in die umliegenden Hügel auf um die Eislage besser beurteilen zu können.

 

Es ist überwältigend. Offenes Wasser ist ausschliesslich dicht unter dem Ufer zu sehen. Je weiter wir den Blick auf das gut 7km entfernte gegenüberliegende Ufer des Nagtivit schweifen lassen, desto kompakter wird das Eis. Ab geschätzten 2 km vom Ufer entfernt wirkt es so kompakt, als könne man den Rest der Strecke trockenen Fusses zurücklegen. Erst kurz vor dem anderen Ufer kann ich mit dem Fernglas wieder kleine, offene Flächen erahnen. In Richtung S und SO ist das Bild noch imposanter: Eis, soweit das Auge reicht - in unregelmässigen Abständen durchbrochen von grossen Eisbergen. Das Auge kann sich nirgends mehr festhalten.

 

Das Eis in Richtung Nagtivit liegt immer  noch dicht an dicht, aber auf unserer Seite des Fjordes gibt es viel freies Wasser - damit ist die Entscheidung gefallen. Als wir uns zwei Stunden später aus der kleinen, geschützten Bucht herausarbeiten hat der Wind allerdings deutlich zugelegt und angefangen, die Eisfelder in Richtung des südlichen Ufers zu verschieben und dort zu verdichten.

 

Auch hier, immer noch in Ufernähe, ist es zusehends ungemütlich geworden. Die Wellen haben bereits Schaumkronen aufgesetzt, die Kajaks werden vom Wind versetzt und wir müssen laufend kontern und um noch halbwegs Kurs halten zu können. Sämtliches Eis ist in Bewegung. Da die Zufahrt zu dem auf der Nattivit Halbinsel vorgelagerten Fangsthus bereits blockiert ist und wir es nicht wagen, uns in die sich bewegenden Eisfelder zu begeben, wassern wir bereits nach einer guten Stunde wieder aus und schlagen beim alten Siedlungsplatz Kittermiit mit im Wind flatternden Hosenbeinen unsere Zelte auf.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Der hat mittlerweile beinahe Sturmstärke erreicht und den Wellenkämmen Gischtkronen aufgesetzt. Der Wind heult in den Ohren, vom Fjord hören wir undeutlich die krachenden, mahlenden Geräusche von den Eisfeldern, die ineinander verschoben und verpresst werden. Eine gute Entscheidung, die Querung bei diesen Verhältnissen nicht in Angriff zu nehmen. Zeltaufstellen unter diesen Bedingungen war nur in Teamarbeit möglich... 

 

Nachmittags ziehen wir an der Uferkante entlang, um die Gegend zu erkunden und ein windstilles Plätzchen zu finden. 

 

Auf dem Rückweg versuchen wir (nicht vorhandenes) Treibholz zu sammeln um den heutigen Tag würdig ausklingen zu lassen - es ist Mittsommer, der längste Tag des Jahres und zugleich der Nationalfeiertag Grönlands. Zu diesem Anlass köpfen wir unseren erste & einzige Flasche Wiskey.

 

Nebenbemerkung - ich habe keine Ahnung, wie wir die Strecke bis Nanortalik bei diesen Eisverhältnissen schaffen sollen...

Expeditionstagebuch 
22. Juni 2022 
4. Reisetag 

Querung des Nagtivit Kangertivat Aqqaajag Halbinsel, Nordufer 

 

 

Was für ein Sch… Tag, trotz des prächtigen Wetters.

Nachdem wir gestern die Querung wegen der dichten Eislage im Fjord und des am Vormittag stürmischen NO Windes (der das viele Eis im Fjord zusätzlich verdichtete) nicht durchführen konnten durften wir uns heute wieder schinden.

 

Die ersten paar 100m gingen dank lockerer Eisbedeckung und grosszügiger Kanäle zwischen den Schollen noch flott voran. Geplantes Tagesziel war der alte Siedlungsplatz Narsaarti nach dem Kap Nuukajik, den ich von früheren Touren noch kenne – aber dann war es wieder vorbei mit dem offenen Wasser und die Schinderei begann. Immer engere Kanäle, zickzack zwischen den Eisplatten, Schollen aus dem Weg drücken, mit der Eisaxt Überhänge weghacken um den immer enger werdenden Kanälen noch folgen zu können, zusätzlich teilweise noch Neueis auf dem Wasser. Und irgendwann war es dann wieder soweit dass wir auf dem Wasser nicht mehr weiterkamen und die Kajaks aufs und übers Eis ziehen mussten

 

Teilweise war es einfach - wenn die Schollen flach waren und vielleicht noch mehrere direkt hintereinander lagen, sodass wir trockenen Fusses von Floss zu Floss kamen. Teilweise sehr aufwendig, da das Eis auch Erhebungen bildet und Schmelzwasserseen oder Eistrümmer auf den Schollen sind. Oder wir mussten wegen Wasserrinnen von 2m zwischen den Schollen wieder in die Kajaks und dann gleich wieder raus aufs nächste Stück altes Wintereis. Und natürlich mussten wir bei jeder Wasserung/Anlandung erstmal die Tragfähigkeit des Eises am Rand der Schollen prüfen und morsches Eis weghacken. Das ging aber erstaunlich gut.

 

Die Eisäxte sind Gold wert, ohne sie würde teilweise nichts mehr gehen. Sichern beim Aussteigen, Überhänge aus dem Weg hacken, Eisbrocken in den engen Rinnen aus dem Weg ziehen, Rinnen verbreitern damit die Boote durchpassen und auch das Kajak über flache Eisschollen (sitzend) ziehen. Und abends am Camp dann natürlich auch die Boote damit sichern.

 

Bei jedem Stehenbleiben, nicht-mehr-weiterkommen oder einer Pause auf dem Eis sind frieren die Kajaks auf dem Eis an und sind nur mit beträchtlichem Kraftaufwand wieder in Marsch zu bringen. Wenn die Fuhre dann wieder rollt, geht es wegen des Schmelzwasserfilms zwischen Eis und Kajak dann wieder flott voran.

 

Gefühlt sind wir heute auf dem Eis kleben geblieben. Vor allem der zeitlich Verlust wiegt für mich schwer, da die Gruppe ja zusammenbleiben muss. Jedes mal 3 Kajaks aufs Eis, jedes mal wieder 3 Kajaks ins Wasser. Ums nächste Eck herum, dann mit dem Pickel die schmale Rinne verbreitern damit die Kajaks durchpassen, die anderen warten einstweilen hinter einem bis der Durchschlupf fertig ist…

 

Und – nicht zu vergessen – mit dem vielen Treibeis sind Bären unterwegs. Du siehst sie nicht, Du hörst sie nicht. Aber sind trotzdem da. Das ist ihr Reich. Und das macht uns ab und zu doch etwas nervös, wenn man vor lauter Eis kein Wasser mehr sieht…

Im letzten Viertel der Querung lockerte das Eis aber dann wieder auf, wir sind wieder zügiger vorangekommen, zum Schluss hatten wir in Ufernähe sogar richtig offenes Wasser. Ums Kap haben wir es natürlich nicht mehr geschafft, zu viel Eis, zu spät, zu kaputt.

 

Klaus hat unseren Kurs heute getrackt. Das Bild sieht aus als ob eine betrunkene Fliege über einen Tisch gewackelt wäre… 5km Luftlinie / effektiv 10km / 10 Stunden.

 

Camp haben wir dann in einer geschützten Bucht am Südufer der Aqqaajag Halbinsel gemacht, am Eingang des Nagtivit Fjordes. Abends hat der Wind noch Seenebel im Hauptstrom des Fjordes hereingetragen - wir selber sassen dabei im Windschatten des Vorgebirges in der Sonne…

Expeditionstagebuch 
25. Juni 2022
7. Reisetag 
Sunikajik

 

 

Heute hat für mich das eigentliche Abenteuer begonnen – wir sind frisch verproviantiert in Isortoq gestartet. Bis zur nächsten Siedlung liegen gut 1.100km vor uns, unterbrochen durch das Depot das Salo für uns anlegen wird. Terra incognita liegt vor uns.

 

Wir waren bei Salo, einem Jäger aus Isortoq noch zum Kaffee eingeladen. Bereits gestern bekamen wir dort frisches Robbenfleisch vorgesetzt («Kajakfahrer brauchen Fleisch» so sein Argument), anschliessend Kaffee – und dann ging die Diskussion wegen des Depots los. Und das war sehr umständlich, denn – ich konnte selber nicht glauben – Salo spricht nur Ostgrönländisch, seine Frau ebenso. Kein Dänisch, kein Englisch. Aber seine Tochter lebt in Dänemark, also hatten wir eine Standleitung zu ihr. Salo mit seiner Tochter in Dänemark, diese zurück zu Susanne auf Dänisch und die dann zu uns auf Englisch. War etwas umständlich, hat aber gut funktioniert.

 

Nein, das Depot könne er nicht in Skjoldungen wir geplant anlegen – zu viel Eis dieses Jahr, vor allem zu früh. Also einigten wir uns nach langer Diskussion auf einen alternativer Standort in Kuuk, nach einem drittel der Strecke zum ursprünglich geplanten Ort und zu einem gesalzenen Preis. Das bringt uns in die Problematik, dass wir am Depot nicht mit leeren Booten ankommen sondern diese dann noch halb voll sein werden. Das heisst wir können nicht alles mitnehmen, haben dann aber gut 300km mehr als geplant zur nächsten Siedlung. Nun gut, wir werden sehen.

 

Schon das Stauen der Boote mit dem frischen Proviant war ein Kunststück für sich. Susanne hat noch einige Sachen nach Dänemark zurückgeschickt weil sie einfach keinen Platz mehr hatte – obwohl sie so ein Dickschiff fährt… Immer noch bestes Wetter, Luftdruck bei 1030mbar, kaum Wind und anfangs, als wir Isortoq  umrundeten und Kurs nach Süden setzten auch kein Eis. Meine grösste Sorge war seit Tagen, dass die grosse Bucht hinter Isortoq – Ikertivaq - wie in den letzten Jahren voll mit Eis sein würde. Und da hatte es erheblich weniger Wintereis gehabt als diesen Sommer…

 

Als wir dann an der Igsalik Inselgruppe vorbei waren wurde das Eis wieder dichter, wir kamen bei einer Eisbedeckung von 6 – 7/10 aber gut voran. Man merkt dass der Frühsommer vorbei ist, die Eisflösse des alten Wintereises werden mit jedem Tag dünner. Irgendwann werden wir nicht mehr auf dem Eis Pausen machen können…

 

Salo hat uns nochmals nachdrücklich von Bären gewarnt. Er wird dementsprechend das Depot maximal 1 – 2 Tage vor unserer Ankunft in Kuuk einrichten, damit noch alles an Ort und Stelle ist wenn wir dort sind.

 

Das Landschaftsbild hier unterscheidet sich erheblich von der Gegend um Tasiilaq. Dominieren dort alpines Gelände mit Gletschern und Fjorde die (für Ostgrönland) relativ grün sind, herrscht hier flache Küstenlandschaft mit flachen, felsigen Schäreninseln ohne jegliche Vegetation vor, Schneefelder reichen bis zur Wasserlinie. Eine Urlandschaft, seitdem sich die Gletscher des Inlandseises zurückgezogen haben. Und immer der Blick auf den grönländischen Eisschild, ein gewaltiges 180° Panorama.

 

Heute nachmittag dann ein Highlight – eine wunderschöne, fragil wirkende Eiskathedrale mit einem gigantischen Tordurchbruch. Natürlich habe ich nicht wiederstehen können und habe ausgiebig fotografiert & gefilmt. Diese leuchtenden Farben im Nachmittagslicht – türkis, hellblau, aquamarin - ein Suchtfaktor. Bald darauf haben wir auf einer der letzten Inseln des Archipels auf Granitklippen unser Camp aufgeschlagen. Der Fels wird die kommenden Wochen unsere einzige Unterlage sein. Sogar Frischwasser haben wir, auch wenn wir auf blankem Stein schlafen. Beim Abendspaziergang zum höchsten Punkt haben wir einen Blick über die Bucht in Richtung Danebrogs Ö, unserem morgigen Ziel, werfen können. Viel Eis wartet auf uns…

 

Die Weite auf dem eisbedeckten Polarmeer und das allgegenwärtige Inlandseis sind gigantisch. Der Blick zurück nach Norden liess im Dunst noch Kap Tycho Brahae am Sermilik Fjord und die Gletscher der Ammassalik Insel erahnen. Was werden uns die kommenden Wochen bringen?

Expeditionstagebuch
26. Juni 2022
8. Reisetag
Danebrog Insel / 29 km

Die Querung ist geglückt.

 

Frisch war's heute morgen.

Nebel hing über dem Wasser und kam immer tiefer. In Kombination mit dem leichtem Wind war es gefühlt eiskalt - wärmer wurde es erst, nachdem wir in die Trockenanzüge gestiegen waren. 

 

Im Nebel unterwegs zu sein hat immer die Aura des Mystischen und ein bischen Endzeitstimmung an sich. Konturen der Eisberge verwischen, Distanzen sind nur noch schwer einschätzbar - irgendwann kommt der White-Out Effekt. Dazu kommen die gespenstische Stille und das intensive, türkisfarbene Leuchten des Eises.

Friedvoll, wie zu Anbeginn der Zeit...

 

Das einzige Manko bei der Querung des Ikertivaq war die Nebellage, da wir dadurch das gewaltige Panorama des Inlandeises nicht sehen konnten. Mittagspause haben wir einmal mehr auf einem grossen Eisfloss gemacht. Gefühlt werden die Dinger jeden Tag kleiner und dünner...

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu diesem Zeitpunkt begann die Sonne durch den Nebel zu drücken und es wurde spürbar wärmer. Die Rinnen zwischen dem Wintereis wurden jetzt auch breiter und zahlreicher - aber leider nahm damit auch das Slush Ice (Eisbrei) zu; damit wurde unser Vorankommen wieder erheblich verlangsamt. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kurz vor Danebrog hatten wir dann einen gigantischen Tafeleisberg vor uns, der sich aus dem Dunstschwaden schälte. Geschätzte Masse 0,8 x 1,2 km - der sichtbare Teil 12 bis 15m hoch. Was für ein Monster...

 

Spätestens hier war der Nebel weg, das Meereis ebenso; dafür konnten wir jetzt umso mehr Eisberge in ihren prächtigen Formen bewundern. 

 

Wir sind dann nach der grossen eisgefüllten Walflukenbucht noch um Holm's Naes herum bis ans Ende einer kleinen Bucht gepaddelt - glücklicherweise bei Tidenhöchststand - sodass wir die Kajaks in beladenem Zustand  von der Uferkante über die Schneewächten bis zu einem Geröllstreifen ziehen konnten.

 

Morgen ist Island Hopping über eine Distanz von 40km angesagt: über die Graals Inseln und die Hornemann Insel zur Örstad Insel - wo wir hoffen, eine funktionstüchtige und einigermassen saubere Hütte vorzufinden.

Expeditionstagebuch
27. Juni 2022
9. Reisetag
Örsted Insel / 34 km

Die Landschaft in die wir eintauchen, wird immer schroffer - und immer schöner.

 

Die Fjorde um Tasiilaq sind im Vergleich hierzu idyllisch & grün...

 

Wir wurden heute von der Sonne auf den Zelten geweckt - und sind trotzdem erst gegen 1/2 11 weggekommen. Grund war Niedrigwasser in unserer Bucht; wir mussten also zuerst die Kajaks & die Ausrüstung über weitere 150m über ungünstiges Terrain bis zur Wasserkante befördern. Dort hatten wir nur einen "guten" Platz zum Stauen der Kajaks zur Verfügung, 2 Leute mussten also unter erschwerten Bedingungen packen.

 

Susanne braucht nach wie vor zu lange zum Packen. Bis sie dann schlussendlich startbereit ist, sind Klaus & ich bereits eine halbe Stunde und länger fertig. Ich nutze die Zeit, um noch einige Aufnahmen zu machen und genüsslich eine Pfeife zu rauchen - aber das kann so nicht weitergehen. Ich schau' mir die Sache die kommenden 1,2 Tage noch an und muss dann mal mit ihr reden. Ich kann die kommenden Wochen so auf jeden Fall nicht weitermachen - mir platzt sonst was. 

 

Die erste Querung bis zur Hornemann Insel geht dank leichtem NO - also Rückenwind - ziemlich zügig voran. Kap Gudbrand Torlaksen gleitet zu unserer Rechten vorbei und verschmilzt bald mit dem Eispanzer des Festlands. Der Wind ist allerdings zu schwach, um auf den Wellen richtige Kämme zu bilden, die die Kajaks ins Surfen bringen würden. Wintereis haben wir ebenfalls fast keines mehr, entweder liegt das Eis weit draussen vor der Küste oder wir befinden uns zwischen zwei Schüben. Dafür vertreiben uns viele Eisberge sowie der ungetrübte Blick auf das Inlandeis und die zahlreichen Nunatakker die Zeit - ein 180° Panorama, das wir nicht müde werden zu betrachten & zu genissen.

 

Auf den der Hornemann Insel vorgelagerten Schären machen wir auf rundgewaschenen Granitklippen Mittagspause und vertreten uns die Beine. Im Anschluss paddeln wir mit Kurs SW in Richtung der Meerenge zwischen Örsted und Avqusiajik Inseln weiter. Dort soll sich eine alte Jagdhütte (Fangsthus) befinden, die wir allerdings auch trotz längerer Suche nicht gefunden haben. 

 

Camp machen wir schliesslich an einem alten Sommerplatz der Inuit, gut erreichbar über sanft ansteigende Granitklippen neben einem kleinen Wasserfall. Die Aussicht von dort nach NO / O / SO  ist prächtig: Abendsonne liegt satt über der Landschaft, in Richtung Norden sehen wir über den fast schwarz wirkenden Fjord hinüber auf den Eisschild und die scharf umrissenen Konturen von Hornemann, Dannebrog und Sunikajiit und deren Schären. Nach Osten gleisst der Packeisgürtel im Abendlicht.

 

Nach dem Essen machen wir noch eine ausgedehnte Abendwanderung und steigen entlang an Schneefeldern, über Geröll und Granitplatten auf den Höhenzug hinter dem Camp auf. Dort verschlägt uns das Panorama den Atem, wir können die komplette Route des morgigen Tages vor uns sehen - und noch viel mehr: unser Blick schweift über 30 km offenes Wasser bis hinüber zum Festland. Dort steigen die Gletscher steil bis auf 1.300m aus dem Wasser. Und was ich auf den ersten Blick für eine Nebelbank am Horizont gehalten habe entpuppt sich als die komplett vergletscherte, 60km lange Jens Munks Insel...

 

Die ist dem Festland vorgelagert und durch einen schmalen Kanal davon getrennt, der aber auch im Hochsommer unpassierbar sein dürfte. Auf der Karte kann man erahnen, dass dort kilometerlange Gletscherfronten hineinkalben und den Fjord regelrecht verstopfen müssen...

 

Es geht in Richtung & über die Köge Bucht - in zwei Tagen sollten wir drüben sein - direkt an die Abbruchkanten der grossen Gletscher. Um die Querung machen zu können, brauchen wir weiterhin ruhiges Wetter - auch für die seeseitige, lange Passage entlang der Jens Munks Insel.

Expeditionstagebuch
28./29. Juni 2022 
9./10. Reisetag
Namenlose Insel / 27 km

Meine Ausrüstung kommt allmählich in die Jahre...

 

Vor einigen Tagen ist ein Schnapper vom PeliCase gebrochen, in dem ich auf Deck meine Kameraausrüstung griffbereit wasser- und staubdicht transportiere. Jetzt lässt sich die Box nicht mehr wasserdicht verschliessen, was im Falle von Spritzwasser (Regen & Wind / Gischt bei schwerer See) oder - Gott bewahre - einer Kenterung tragische Folgen für Kamera, Optiken und damit der kompletten Dokumentation der Expedition hätte. Notlösung für schlechtes Wetter / rauhe Bedingungen sind ein kleiner Gurt oder - noch besser da flexibler :-) ein Pfeifenreiniger, den ich verzwirbeln kann um den Anpressdruck von Körper & Deckel zu erhöhen.

 

Heute morgen hatten wir wieder eine Diskussion wegen unserer Abfahrtszeit aufgrund der Windprognose - obwohl es tatsächlich beinahe windstill war. Zufrieden war ich damit nicht (ich wäre eher gestartet)  - aber gut.

Was bzw. wer mir dann aber bald das Kraut ausgeschüttet hätte war - Susanne. Morgens haben wir ganz klar 1000 Uhr vereinbart. Und auf wen warten wir wieder bis 1/2 11 Uhr? Irgendwann haben wir es dann doch geschafft, aber ich war tierisch angepisst. 

 

Als wir die Örsted Insel verlassen, haben wir vom Start weg leichten Gegenwind bei wolkenlosem Himmel; der Wind ist uns wegen des Eishauchs, den er von SW mit sich brachte sehr willkommen, da es im Trocki sonst sehr schnell viel zu warm wird.

 

Aufgrund der günstigen Verhältnisse konnten wir das Becken bis zur Aqitseq Insel direkt queren, ohne die Halbinsel Sipulik zu berühren. Nach Sipulik kommt ein monströser Gletscher vom NW gelegenen Inlandeis herunter, die Abbruchkante ist mehrere Kilometer breit. Wir hörten mehrmals das dumpfe Donnern von grossen Kalbungen ohne jedoch etwas zu sehen - dafür waren wir zu weit weg. Die Kalbungswellen jedoch  waren auch noch in einer Entfernung von 8km deutlich spürbar; wobei ich hinzufügen muss, dass wir im tiefen Wasser unterwegs waren und aus diesem Grund nicht gefährdet. In Ufernähe wäre das etwas anderes gewesen - ich habe ein solches Szenario vor Jahren life am Eqi Gletscher nördlich von Ilulissat erlebt. Nicht lustig...

 

Während unserer Mittagspause fällt Klaus auf, dass meine (Neopren) Spritzdecke im Frontbereich bei der Schlaufe ein Loch hat und an anderer Stelle auf der anderen Seite bereits fast duchgescheuert und somit kurz vor dem Reissen ist... 

 

Damit ist heute Abend nach dem Essen erst einmal Nähstunde angesagt. Martin (Rickard) hat mir vor unserem Aufbruch glücklicherweise noch eine alte Reservespritzdecke mitgegeben, mit der ich morgen fahren werde. Mein schadhaftes Exemplar muss erstmal gut abtrocknen, bevor wir es dann kleben können.

 

Am späten Nachmittag landen wir bei einer kleinen Landzunge auf Granitrippen, die teilweise noch schneebedeckt sind. Unser Camp steht sehr einsam (und etwas exponiert) auf einer Felsklippe auf blankem Fels; Steine schleppen war angesagt, um die Zelte befestigen zu können. 

 

Abends sind wir noch in die kargen Hügel hinauf. Zuerst haben wir ein altes Grab entdeckt; das lässt den Schluss zu, dass sich hier auf der Insel auch ein alter Siedlungsplatz befinden muss. Und wirklich, einige Höhenmeter weiter oben finden wir die gut erhaltenen Reste eines alten Winterhauses einschliesslich des noch bestehenden, nicht eingestürzten Kriecheingangs. Dies ist das (vom Grundriss her) grösste Winterhaus, das ich bisher gesehen habe. Ungewöhnlich an dieser Platzwahl ist allerdings die grosse Entfernung zum Meer (150 Höhenmeter / 20 Minuten zu Fuss) sowie das Fehlen jeglichen Wassers in der näheren Umgebung. 

 

Vom höchsten Punkt der Insel dann ein phänomenaler Ausblick: über die Köge Bucht nach SSW sehen wir die volle Länge der Jens Munks Insel (65km) vor uns ausgebreitet, die fast vollständig vergletschert ist. Weiter draussen auf See ist der Eisgürtel zu erahnen der vor der Küste liegt. Nach W und NW das Ende der Köge Bucht mit einer Vielzahl von landfallenden, kalbenden Gletschern und zahllosen Eisbergen auf dem Wasser. Landschaftlich erinnert die Gegend an den Johann-Petersen-Fjord beim Sermilik - nur eben um einige Nummern vergrössert, titanischer. 

 

Morgen machen wir voraussichtlich die 20km Querung der Köge Bucht, dann geht es weiter an den Gletscherfronten der Jens Munk Insel Kurs SSO.

 

 

 

Gleicher Platz / 29. Juni

Regen- und Bummeltag

 

Gestern abend haben wir noch darüber gesprochen dass die Klippen, auf denen unsere Zelte stehen ziemlich exponiert sind - heute morgen gegen 0400 hat es zu regnen begonnen...

 

Gestern abend hat es sich bereits zugezogen. Bis ich nach der Wanderung mit dem Tagebuch fertig und im Schlafsack war war's dann auch schon fast Mitternacht. Zu unserem Glück weht aber nur ein leichter, unregelmässiger Wind aus NO - sonst hätte es uns bereits weggeblasen. Nachdem die Zelte auf einer leichten Schräge stehen, läuft das von weiter oben kommende Wasser einfach unter den Zelten durch - ich muss aufpassen, dass ich nichts in der Apsis liegen lasse das nicht nass werden darf...

 

In einer Regenpause springe ich schnell zu den Kajaks hinunter um zu kontrollieren ob alles OK ist; bei Flut haben wir nämlich nur einen halben Meter Luft bis zu den Booten. Zähneputzen, Toilette und Wasserholen erledige ich gleich mit, ausserdem greife ich mir noch den Kleidersack mit den warmen Klamotten. Bei Regenwetter im Zelt ohne grosse Bewegung bei 3°/4°C wird's schnell kühl. Zur Feier des Tages leiste ich mir nach zwei Wochen ein frisches T-Shirt sowie frische Socken. Eine Wohltat...

 

Jetzt - nachdem die ganze Truppe mit heissem Wasser für's Frühstück und den Tag versorgt ist  - habe ich Zeit. Zeit zum Bummeln, Lesen, Schreiben, Schlafen und Träumen.  Der eigentlich erste Regen- und Ruhetag dieser Expedition, seitdem wir in Tasiilaq  aufgebrochen sind.

 

Die Spotmeldung von gestern scheint raus zu sein - wir haben zumindest keine gegenteilige Info von Bea oder John erhalten.

 

 

Expeditionstagebuch
30. Juni 2022
12. Reisetag
Jens Munks Ö
Kap Torfaeus / 34,5 km

Ein genialer Platz.

Wir sitzen spätabends im Licht der Mitternachtssonne auf den Klippen unweit unseres Camps und blicken nach Nordwesten in die Köge Bucht, fast 50km bis auf das landfallende Inlandseis hinein das einen 110° Bogen um die Bucht macht…

 

Einer der Tage für die sich alles gelohnt hat – und den Du nie wieder vergessen wirst.

 

Heute morgen sind wir relativ zeitig unterwegs gewesen. Frisch war es noch, als wir von unserem Felscamp auf einer Landzunge nach einem Schlechtwettertag die ersten Paddelschläge für die Querung nach Südwesten zu Ole Römers Ö machten, leicht bedeckt (noch ohne Sonne) und leichtem Gegenwind aus SW. Diese erste Querung war schnell erledigt. Mittlerweile kam das Licht teilweise durch die Wolken und malte die ersten Kringel auf die fast 60km lange, vergletscherte Jens Munks Insel. Das ganze prachtvolle Panorama der Köge Bucht tat sich jetzt vor uns auf. Nun machten wir uns an die Querung der Köge Bucht weiter nach SW, unser Ziel für Mittag war die vorgelagerte Insel Putugua nach gut 10 km, etwa 2/3 der Bucht. Kein Wintereis auf dem Wasser, aber dafür gefühlt jede Minute immer mehr wundervolle Eisberge, die wahrscheinlich von den aktiven Gletschern hier in der Bucht gekalbt wurden.

 

Rechts – also nordwestlich von uns - gut 30 km entfernt das Ende der Bucht mit dem landfallenden Inlandseis. Zahlreiche namenlose Gletscher fallen hier vom grönländischen Eispanzer Richtung Meer herunter. Direkt vor unseren Kajaks die gut 60 km lange, fast komplett vergletscherte Jens Munks Insel, die bis 600m aufragt. Und dahinter – das allgegenwärtige Inlandseis mit seinen Nuntakkern (Bergspitzen, die aus dem Eis aufragen). Gigantisch. Eigentlich unbeschreiblich. Und keine menschlichen Geräusche ausser unseren Paddelschlägen und dem leisen Zischen unserer Bugwellen.

 

Kurz vor unserer Mittagsrast bin ich wieder auf Tuchfühlung mit einem dieser schönen Riesen gegangen um zu fotografieren und zu filmen…. Glattgeschliffene, runde Formen kontrastieren mit schroffen Kanten und Abbrüchen auf der anderen Seite, dazu noch ein Durchbruch über dem gigantischen türkis / grün im Licht leuchtenden Unterbau des Giganten...

 

Und die Eisberge werden immer noch mehr – pure Glückseligkeit meinerseits. Nach den Peder Skrams Inseln queren wir eine 10 km lange Bucht, die beinahe vollständig von zwei titanischen Gletschern dominiert wird. Am späten Nachmittag machten wir uns dann auf die Suche nach einem Platz für unser Camp. Ich bin - wie üblich – meiner Nase gefolgt und hatte wieder mal Erfolg: eine kleine Bucht, in der ein Schneefeld von der Wasserlinie bis zu einigermassen ebenen, schneefreien Felsen führte. Und hier sitzen wir nun.

 

Auf der einen Seite ist der Platz etwas unglücklich da die Zelte bereits kurz nach dem Aufbau im Schlagschatten des im Westen aufragenden Berges waren – auf der anderen Seite konnten wir die Kajaks bis zum Camp über den Schnee ziehen, was uns einige Lauferei erspart hat. Ausserdem haben wir frisches Trinkwasser und die Klippen, auf denen wir im Moment sitzen dürften sogar Mitternachtssonne haben.

 

Der einzige Wermutstropfen – Klaus. Er klagt über Probleme mit den Sehnen in der linken Schulter, was ziemlich schmerzhaft ist. Vielleicht können wir ihn mittels der Expeditionsapotheke medikamentieren in der Hoffnung dass es besser wird. Wenn nicht – tja. Dann bleibt vielleicht nur, dass er mit Salo, der die kommenden Tage unser Depot einrichten wird, wieder zurück nach Isortoq fahren wird. Das wird sich die kommenden Tage herauskristallisieren.

Expeditionstagebuch
02. Juli 2022
14. Reisetag
Ikasartik Sund
NW Seite Gerners Ö

Ein wunderschöner und trauriger Tag zugleich – aber ich muss von Anfang an erzählen.

 

Die Nacht mit Klaus zusammen auf dem buckligen Felsen in einem Zelt– wir hatten letzte Abend Probleme, geeigneten Grund für die Zelte zu finden, letztendlich reichte es nur für Susannes Solozelt und eines unserer Zelte- war nicht angenehm, was aber nicht an Klaus’ Gegenwart lag, sondern am buckligen Untergrund. Heute morgen war es nach dem Regen der vergangenen Nacht erheblich wärmer als gestern Abend, auch wenn die Sonne noch nicht durchgekommen war. Um Kap Poul Lövenörn herum hat es dann aufgerissen, auf See hielten sich noch einige Nebelfelder – aber die Gletscher gleissten bereits wieder in der Sonne.

 

Bis zu diesem Zeitpunkt waren wir alle noch der Meinung, dass Salo erst einen Tag später am vereinbarten Platz für das Depot zusammen mit uns eintreffen wird und Klaus wenigstens bis dahin Zeit hat sich zu entscheiden: ob er weitermacht (und damit zu einem späteren Zeitpunkt einen eventuellen SAR Einsatz riskiert wenn seine Schulter schlimmer wird) oder abbricht und mit Salo zusammen zurück nach Isortoq fährt. Aber als wir kurz vor der Landzunge Lynaes Mittagspause machen, hören wir einen Bootsmotor – das erste Geräusch von anderen Menschen seit unserem Aufbruch in Isortoq 8 Tage zuvor. Das kann nur Salos Boot sein, dass aus dem dünner werdenden Seenebel hinter einem Eisberg auftaucht und auf uns zuhält. Klar – auch Salo hat Internet und somit unseren, nein eigentlich Susannes Track auf FB verfolgen können und hat uns abgepasst. Überrumpelt sind wir alle drei – aber Klaus muss für sich innerhalb von Minuten die Entscheidung treffen ober er mit Salo zurückgeht oder nicht. Salo will auch am gleichen Tag wieder zurückfahren und nicht bis morgen warten und er möchte schnellstmöglich weiter, da es auf See viel Eis hat und der Nebel zu Küste kommt.

 

Klaus entscheidet sich – und das rechne ich ihm sehr hoch an – abzubrechen.

 

Ich kann gut nachempfinden wie schwer ihm diese Entscheidung gefallen ist, nachdem ich diese Expedition ja bereits für 2020 geplant hatte - und dann wegen des Lockdowns alles abblasen musste. Für mich wäre an dieser Stelle wohl eine Welt zusammengebrochen wenn mich mein Körper im Stich gelassen hätte.

 

Wir hatten dann effektiv eine hektische Stunde Zeit, um einige notwendige Dinge aus Klaus Gepäck zu fischen die wir zur Weiterführung der Expedition benötigten und im Gegenzug einige Sachen aus unserem Gepäck für ihn herauszusuchen. Mit etwas mehr Vorinfo wäre es erheblich leichter gewesen – aber das ist eben auch Grönland. Als Salo mit Klaus und seinem roten Prijon dann weiter nach Kuuk aufgebrochen war um das Depot einzurichten sind Susanne und ich alleine.

 

Uns beiden steht heute noch die die Querung des Kagtertoq hinüber zur Fridjof Nansen Halbinsel bevor, bei direktem Kurs gute 8km. Dieser Fjord führt allerdings eine extreme Eislast mit sich, da er das Kalbeis jeglicher Grösse aus dem Kanal zwischen der Jens Munks Insel und dem Festland abtransportiert. Um uns einen Eindruck zu verschaffen, was uns erwartet springe ich an einer kleinen Felseninsel aus dem Kajak und turne die Felsen hinauf. Ein Panorama wie aus dem Herrn der Ringe…

 

Letzte Seenebelschwaden ziehen auf halber Höhe die Gletscherflanken entlang, Das Inlandseis mit (aus der Entfernung) seinen sanften Kurven dominiert die Himmelsrichtungen SW, W sowie NW und N. Nach Süden hin ragen schroff wie Messerspitzen Küstengebirge in den stahlblauen Himmel, die höchsten Erhebungen erreichen gut 800m. Im Fjord verstreut und auch in Richtung O eingebettet in das kleinere, dichtgepackte und gepresste Kalbeis liegen wahre Eistitanen, noch nicht rund und abgeschliffen vom Schmelzprozess und der See sondern rau, kantig, zerrissen, teilweise mit Staub und Geröll der Moränen bedeckt. 

 

Die ersten paar 100m kamen wir noch einigermassen voran, dann wurde es wieder anstrengend. Was für ein Unterschied zu den letzten 8 Tagen, wo wir fast ausschliesslich offenes Wasser mit mehr oder weniger vielen Eisbergen hatten! Jetzt war wieder Rinnen suchen angesagt, Zickzack Kurs und Schollen zur Seite drücken und ziehen. Aber der grösste Unterschied zum Beginn unserer Tour – das waren keine Flösse und Schollen alten Wintereises, über die man zur Not auch die Kajaks hätte ziehen können. Das war Brucheis von Kalbungen und dem Kollaps von Eisbergen - also viel zu klein und instabil, um auch nur auf ein Stück Eis steigen zu können. Für mich war die Situation am ehesten mit 2018 vergleichbar, als ich mit meiner Partnerin Bea und (einem anderen) Klaus im ebenso verstopften Johan Petersen Fjord unterwegs war – und den Fjord eben wegen der Eisbedingungen nicht queren wollte. Dieses Mal müssen wir aber durch. Ich habe eigentlich keine Worte um die Stimmung, das Landschaftsbild, die durch das Eis sichtbaren Strömungen im Fjord, das Licht und alles andere zu beschreiben -  die Querung war wie ein Rausch. 

 

Abends um kurz vor sieben und ziemlich kaputt haben wir im Ikasartik Sund einen weiteren legendären Platz für die Zelte gefunden – ein alter Sommerplatz der Inuit. Deutlich vom Wasser aus sichtbar mit einer Landmarke aus Stein am Ufer (Steinmanderl), durch Steinringe (zum Befestigen der Zelte), flache Klippen zum Auswassern sowie relativ ebene Felsen für die Zelte – und wie die ganzen Wochen zuvor, KEINE geflügelten Plagegeister. Eigentlich kein Wunder, zum einen weil noch so viel Schnee liegt und zum anderen da es ausser Felsen und Schotter keine Feuchtgebiete gibt wo die Biester brüten können. Das dürfte sich die kommenden Wochen aber noch ändern.

 

Expeditionstagebuch
05. Juli 2022
15. Reisetag 
Colberger Heide
34 km

Colberger Heide, ca. 15km nördlich von Otto Krumpen Fjord 

 

Wir sind trotz aller guten Vorsätze erst gegen 0700 aus dem Schlafsack gekommen – Frühstück, Camp abbauen und Susannes Sea Yak flicken (sie hatte gestern abend das komplette Heckdepartement voller Wasser). Martin Rickard hatte in Tasiilaq noch Bug- & Heckbereich mit Glasfaser verstärkt, aber das verträgt sich anscheinend nicht mit PE... Also alles säubern, etwas PE Masse auftragen und mit dem guten SIKA Tape von innen und aussen verkleben. Bis wir dann letztendlich auf dem Wasser waren war’s schon ½ 11. Wetter war bedeckt, ruhig bei leichtem Wind aus S.

 

Zunächst sind wir nach NO aus dem Schutz der Halbinsel gelaufen wo wir das Camp stehen hatten, anschliessend ein 110° Turn nach S. Bei der grossen Insel Pikitse sind wir nochmals kurz angelandet – Susanne sollte kontrollieren ob das Heck auch wirklich dicht hielt und - alles trocken! Ich selber habe mir bei der Gelegenheit noch meinen dünnen Fleece unter den Trocki angezogen und die Paddelpfötchen am Paddel vormontiert da der der Wind aus SW aufgefrischt hatte und die Kälte des Eises mit sich brachte.

 

Colberger Heide – ein irreführender Begriff. Man erwartet bei dem Namen liebliche Täler, Grün, alte Sommerlagerplätze der Inuit. Aber die Landschaft ist hochalpin von der Wasserkante weg, Gletscherfronten kalben auf vielen Kilometern in die See. Das Land ist so jung, dass es weder Schotter noch Steine gibt – nur blanken, vom Eis abgehobelten Fels.

 

Während der Querung von Upernarssuaq zum Festland macht es mehr und mehr auf, die ersten Sonnenflecken verursachen wunderbare Lichtspiele auf den Gletscherflanken des Inlandseises. Um den NW Wind zu nutzen, setzen wir unseren Kurs auf SO – so verkürzen wir die Querung und nutzen den Rückenwind. Mittagsrast machten wir dann auf einem kleinen Felshaufen in unmittelbarer Nähe einer titanisch anmutenden Abbruchkante von 6-7km Länge und geschätzten 200m Höhe.

 

Wir hatten uns zwar bereits am Vortag eventuelle Landemöglichkeiten auf der karte und dem GPS angesehen, aber die Realität war erheblich schlechter als erhofft. Dort, wo wir wegen des Swells problemlos aus dem Wasser kamen und es einigermassen ebene Felsflächen gab, hatte es keine Steine um die Zelte sichern zu können. Also weiter, probieren, schauen, wieder weiter. Am frühen Abend sehen wir den ersten Geröllstrand nach Wochen – neben einer Abbruchkante – auf einer kleinen Landzunge, von zwei Seiten gut anlandbar. Mittig auf einer kleinen Anhöhe ein ausgedehntes, relativ ebenes Firn- / Eisfeld, auf dem wir dann die Zelte aufstellen.

 

Der Himmel von Süden wird während des Aufbaus immer dunkler. Bis das Zelt stand und und ich das Essen im Napf hatte war es bereits nach acht. Aber das Licht war so zauberhaft, dass ich nochmals mit der Kamera losziehen musste. Richtung S dunkle Wolken, eine beinahe drohende Stimmung. Richtung N pastellfarbene, warme Töne auf dem Meereis und Jens Munks Ö.

Expeditionstagebuch
07. Juli 2022
19. Reisetag / 32 km
Taterakajik / Odins Land Nordende Aegirs Bucht  

Abends um 22.30 Uhr

Der heutige Tag hatte doch wieder einige Überraschungen parat.

Morgens gegen fünf herum aufgewacht, nachdem ich während der Nacht aufgeschreckt war da ich einen Bären vermutete.  Nichts – aber ich habe nur schlecht wieder einschlafen können. Regen klopft auf’s Zelt. Um 0800 dieselbe Situation. Kurz vor zehn bin ich dann aufgewacht. Während des Frühstücks war es immer noch kalt und bewölkt – aber über dem Gletscher zeigten sich die ersten blauen Flecken am Himmel. Und ich hatte schon befürchtet, dass wir nach der gestrigen wetterbedingten Zwangspause heute einen weiteren Tag verlieren würden…

Bis wir dann endlich weggekommen sind war es bereits kurz nach Mittag. Aber es riss’ immer mehr auf, die ersten Sonnenstrahlen brachten die Gletscherabbrüche und das Eis im Wasser zum Leuchten.

 

Noch ein Wort zum Thema Depot & Verpflegung:

Vor 5 Tagen haben wir uns an Depot frisch verproviantiert und hatten am Abfahrtstag Lebensmittel & Brennstoff für 45 Tage gebunkert. Aus den bekannten Gründen konnten wir allerdings nicht mal eine der beiden Tonnen leermachen. Sch… ist das. Die Kajaks damit an der Belastungsgrenze, per se bereits überladen. Ich war vorher der Meinung dass 30 – 35 Tage das Maximum sind.

Aber Not macht ja erwiesenermassen erfinderisch… 

 

Nur um dem werten Leser mal einen Eindruck zu verschaffen – der Stauplan für meinen NDK Explorer sieht aus wie folgt:

 

Bug Department: Kleider im Spitzenbeutel, diverse Packsäcke mit Müsli, Riegeln, Trockenfrüchten, Nüssen, Trockenfleisch und -fisch sowie Travellunch.

 

Cockpit: vor den Fussrasten 3 kg Müsli, Milchpulver, Tabak, Werkzeug. Zwischen den Beinen Medikamente.

 

Tagesluke: Kochgeschirr, Munition, Bergschuhe, Daunenjacke, Kleinkram

 

Heckdepartment: Lebensmittel, Kocher, Zeltgestänge, Reservespritzdecke, 7l Benzin für den Kocher.

 

Vorderdeck (oben): Reservepaddel, Gewehrfutteral mit Gewehr & zusätzlichen Lebensmitteln, 1 Packsack 13l mit Lebensmitteln, PELI Case mit Kamera & Zubehör

 

Achterdeck (oben): Dufflebag mit Schlafsack, Zelt, elektronischer Ausrüstung – 70l, voll… 

Dahinter nochmals ein Packsack mit Lebensmitteln.

 

Dementsprechend tief lagen die Kajaks im Wasser – und dabei waren wir noch nicht mal in den Booten. Freibord – also der Abstand von der Wasseroberfläche zum Cockpit – betrug bei mir gerade noch 4cm. Aber schliesslich werden wir jeden Tag leichter! Stabilität im Ruhezustand: schwangere Seekuh die sich zum Sterben hinlegen will aber nicht entscheiden kann ob back- oder steuerbord… Dies ist vor allem dem hohen Schwerpunkt sowie dem vielen Gewicht auf Deck geschuldet. Im Fahrzustand stabil – ich liebe meinen NDK Explorer…

 

Einen Platz für’s Camp haben wir ab 1600 zu suchen begonnen – aber es war aussichtslos. Schroffe Ufer, Steilklippen, Gletscherabbrüche – keine Chance zum Landen. Dazu kam noch der Swell von gut einem Meter, der das Aussteigen an theoretisch geeigneten Orten schlichtweg verunmöglichte, geschweige denn das Ausbooten. Also sind wir gezwungenermassen weitergepaddelt, zunehmend im Abendschatten der schroff aufragenden Küstengebirge und namenlosen Gletschern. Irgendwann nach dem nächsten Misserfolg war es bereits nach 1800 und die Blase drückte immer mehr. Also raus aus dem Bergschatten ins Licht, auf ein grosses Eisfloss und dort nochmals Pause gemacht, unbehelligt vom Swell, gewärmt von der Abendsonne. 

 

Heute hat man deutlich gespürt, dass der Polarstrom das Packeis wieder vermehrt an die Küste drückt – wir kamen an vielen Eisflössen vorbei, die allerdings immer kleiner und dünner werden. Camp haben wir dann letztendlich nochmals fast zwei Stunden später auf der NW Seite von Taterakajik gemacht, wo wir sogar bis ca. 2200 noch Abendsonne hatten. 50 Höhenmeter über der Wasserlinie haben wir schönen ebenen Granit für die Zelte gefunden, aber eben keine Steine für die Befestigung der Abspannleinen. Das war dann die letzte Challenge des Tages: ausnahmsweise die komplette Ausrüstung (ca. 60kg/Person) zum Camp hinaufschleppen, um damit die Zelte provisorisch abzuspannen. Susanne hat mich dementsprechend verflucht… 

 

Aber – der Blick im Abendrot nach NW ist märchenhaft. Alpenglühen über den Gipfeln und den Eiszungen, die Eisberge schimmern bläulich-kalt im ruhigen Wasser.

 

3 Stunden später – der Bär ist los!

Wir hatten eben den ersten Eisbärenkontakt dieser Expedition, für mich war es generell der erste Eisbär in freier Wildbahn. Die Jahre zuvor hatte ich immer nur Spuren im Altschnee gesehen. Wir waren nach einer Abendwanderung eben in die Schlafsäcke gekrochen und gerade am Einschlafen da schnaubte es draussen. Ich war bereist in sitzender Position, Schlafsack schon offen als Susanne mich fragte ob ich das sei? Apsis am Kopfende des Zeltes geöffnet, Blick nach draussen, nichts. Es schnaubt wieder. Andere Apsis am Fussende aufgemacht – und da war er: Ursus maritimus, der König der Arktis – ca. 5m von Susannes Zelt entfernt am Bärenzaun, dessen Pfosten er interessiert beschnüffelte. Den Schädel leicht gesenkt, suchend hin- und herschwenkend, Witterung aufnehmend. Ich in Boxershorts, T-Shirt und Bergschuhen ohne Socken, in der einen Hand die Signalpistole und der anderen Hand die Savage, das Jagdgewehr, Arme schwenkend und brüllend «Go away, mein Platz!» Der Bär einige Schritte zurück, richtet sich auf. Susanne mittlerweile auch aus dem Zelt, ebenfalls die Signalpistole in der Hand. Ich demensprechend das Gewehr weg und die Kamera aus der Box gerissen. Als der Bär Anstalten macht noch näher zu kommen schiesse ich eine Signalrakete in die Luft – und der Kollege ist sichtlich beeindruckt und trollt sich– zumindest bis ins Wasser. Dort steht er dann einige Zeit mit der Schnauze zu unserem Camp, unschlüssig wie er weiter vorgehen soll und hat sich letztendlich schwimmend um den nächsten Eisberg herum davongemacht. Bis das Adrenalin bei mir wieder einigermassen abgebaut war es schon 0100 durch. Also Bärenwache für den Rest der Nacht, wir wissen ja nicht ob der Kamerad nochmals zurückkommt oder nicht. Susanne schicke ich ins Zelt, ich übernehme die erste Wache und sitze dabei in meinen Schlafsack gewickelt in der offenen Apsis meines Zeltes. Gottlob ist die helle Nacht klar und windstill – ich habe, ehrlicherweise gesagt, mehr die sich verändernden Lichtverhältnisse und das erste Morgenlicht auf mich wirken lassen als nach Bären Ausschau zu halten…

 

Jetzt um 0230 liegt bereits das Morgenrot auf den umliegenden Gipfeln und dem Gletscherabbruch gegenüber unseres Camps, leichter Nordwind hat eingesetzt. Langsam wird immer mehr Eis in die Bucht gedrückt. Selbst der grosse Tafeleisberg mit mehrfacher Fussballplatzgrösse hat sich im Laufe der Nacht um 130° gedreht. Noch eine halbe Stunde, dann wecke ich Susanne.

Expeditionstagebuch
10. Juli 2022
22. Reisetag / 28 km Kangitdlorajik
Kap Moltke

Das Grün erschlägt mir die Augen. Nach über 3 Wochen Schnee, Eis und Felsen gestern die ersten Spuren von Grün – und heute gab’s richtig was auf die Augen. Surreal, das Auge will es nicht wahrhaben. Flechten, Gras, smaragdgrüne Moospolster, kniehohe Weidenbüsche, Krähenbeeren.

 

Wir merken deutlich, dass wir nicht mehr in Thor’s Land sind – das befindet sich auf der nördlichen Fjordseite und ist ab der Wasserlinie hochalpin, Gletscher & Schneefelder kommen bis zur Uferlinie herab. Schroff, abweisend und doch lockend, lieblich. Ein Königreich für meinen Gleitschirm und etwas mehr Zeit um Hochtouren zu machen…

 

Heute morgen war es nach dem Sturm der vergangen Tage noch leicht bedeckt. Bis wir die Kajaks im Wasser hatten war es beinahe aufgeklart. Nachdem wir den Eisbergverhau vor unserem Naturhafen passiert hatten gab es fast den ersten richtigen Krach zwischen Susanne und mir. Ich schon leicht genervt da sie wieder länger zum Packen & Stauen gebraucht hatte als ich. Und dann nochmals das InReach auf neue Mails prüfen. Und innerhalb der nächsten halben Stunde 5-6 mal das Navi öffnen obwohl der Kurs durch die Topografie ganz klar vorgegeben ist und auch so abgesprochen war…

 

Mittagsrast – heute relativ schweigsam - auf einer Klippe des Qertartivaq Archipels, hier merkten wir bereits deutlich den von der offenen See hereindrückenden. Swell. Nachmittags stand die Querung zum sehr abweisenden, 653m hohen Kap Moltke an, Swell weiter zunehmend.

 

Die See um das Kap selber war dann kabbelig. Swell 2,00 – 2,50m, dazu das Wiederwasser das von den Klippen und unterseeischen Hindernissen zurücklief. Nicht schlimm, aber sportlich. Trotzdem – einmal falsch kontern, einmal falsch aufkanten und Du liegst im Wasser, speziell ich mit dem hohen Schwerpunkt meines Kajaks. 

 

Nach dem Kap machten wir dann ein 90° Haken nach Westen in die beginnende Fjordlandschaft der Region Skjoldungen. Zunächst versuchten wir auf bei Fyllas Vig auf der Nordseite des Fjordes anzulanden, aber selbst 5km im Fjordinneren war der Swell immer noch zu hoch dafür. Mit dem Fernglas konnte man aber südlich, in der Fjordmitte, einige Insel sehen die mit Grün bedeckt waren. Sagenhaft! Also die Paddel geschwungen und ab dafür. 

 

Auch wenn es jetzt pathetisch klingt – aber wir fanden dort ein grünes Paradis an der Grenze zu Thors Land. Man merkt überdeutlich, dass hier ein anderes Mikroklima vorherrscht: Das Inlandseis endet hier gut 50km weiter im Westen an den Fjordenden und reicht nicht bis zur Küste heraus, auch wenn viele Höhenzüge und Berge vergletschert sind. Die Kulisse ist zerrissen, dramatisch. Die höchsten Erhebungen auf den Inseln reichen bis 715m, die Gletscher auf dem Festland scheinen mit knapp 2.000m fast den Himmel zu berühren. Spitze, gezackte Grate wirken in der Abenddämmerung wie Drachenrücken. Auf den Schneefeldern am nördliche Ufer das letzte rotstichige Orange kurz vor dem Sonnenuntergang, in Richtung Irmingersee im Osten herrschen Pastelltöne in blau, violett und rose vor – dazu der aufgehende Mond.

 

Auf der Insel finden sich Spuren von mehreren alten Winterhäusern und Sommerlagern, auch die Stelen zur hundesicheren Aufbewahrung der Umiaks (Frauenboote) stehen noch. Und – es ist eine Brutinsel der Wildgänse. Davon zeugen die (glücklichweise) bereits trockenen Hinterlassenschaften die überall herumliegen. Ausserdem finden wir überall Nester mit Resten der Federpolsterung. Die meisten Jungtiere sind mit den Altvögeln bereits an der Küste unterwegs, ich habe nur eine Familie mit 7 Jungtieren gesehen.

 

Die nächsten Tage geht es relativ geschützt in den Fjorden weiter, zunächst nach W, dann S, wieder W zur verlassenen Siedlung Tiniteqilarmit. Von dort ist es dann noch ein langer Tag bis Skjoldungen, dem ursprünglich geplanten Platz für unser Depot. Dort haben wir auch ziemlich genau die Hälfte der Strecke hinter uns. Die Umrundung  der Skjoldungen Insel selber über die nördlich und südlich gelegenen Fjorde werden wohl ein Wunschtraum bleiben: 100km Umweg /zusätzliche Strecke sind bei unserem relativ knapp bemessenem Lebensmittelbestand leider nicht drin. Auch wenn es mir das Herz bricht, an vielen wunderschönen Spots nur vorbeizukommen und keinen Möglichkeit zu haben einen oder mehrere Tage dort zu verbringen…

Expeditionstagebuch
18. Juli 2022 
30. Reisetag Tingmiarmiut Fjord 

Gedankensplitter

Vor bereits gut einer Woche haben wir Skjoldungen erreicht, eine Siedlungsgebiet, das bereits vor gut 60 Jahren aufgegeben wurde. Diese alte Siedlung war das erste grosse Ziel unserer Reise - damit haben wir auch die Hälfte der geplanten Strecke hinter uns gebracht. Auch der Charakter der Landschaft hat sich über die Wochen geändert. Die ersten Tage und Wochen wurden von Gletschern rundgeschliffenen und polierten Felsen und Klippen geprägt, das Inlandseis war auf vielen Kilometern mit seiner Präsenz, seiner Magie und seinen Gletschern allgegenwärtig. Im Moment bewegen wir uns in der Fjordregion von Skjoldungen und Tingmiarmiut. Wunderschöne Täler, Grün – aber nicht lieblich sondern immer noch rau, alpin. Das Inlandseis immer noch spürbar, aber nicht mehr omnipräsent wie weiter im Norden. Das Mikroklima in den Fjorden erheblich wärmer als an der Küste, die nach wie vor ohne Vegetation ist. Man kann sich lebhaft Sommerlager in früheren Zeiten in der Szenerie vorstellen. Aber ein Blick auf die Karte zeigt uns auch, dass das Inlandseis mit seinen Gletschern einige Kilometern weiter südlich wieder bis zur Küste kommen wird.

 

Entlang der Küste herrschte das Treibeis, das der Ostgrönlandstrom jedes Frühjahr mit sich in Richtung Süden führt – diesen Frühsommer mehr als in den vergangenen Jahren. Dieses Eis hat auch den Swell, die Dünung von der Küste abgehalten, sodass wir bis jetzt meistens ruhige Seebedingungen hatten. Aber – Mitte Juli ist vorbei, und das letzte Wintereis hatten wir am 12.07. als wir nach Kap Niels Juel in den Skjoldungenfjord einbogen. Wenn wir in ein bis zwei Tagen nach Tingmiarmiut hinaus nach Qasingortoq gehen um die dortige Landzunge zu umrunden wird es interessant. Hat es noch Eis? Oder ist diese Zeit für uns - zumindest für dieses Jahr - vorbei? Vor uns liegen noch mehrere hundert Kilometer. Wir müssen noch viele grosse Fjorde queren und noch mehr Kaps umrunden. Und das dürfte ohne Eis im besten Fall interessant oder sportlich - oder aber zu einer grossen Herausforderung werden.

 

Heute

Die Moskitos waren heute morgen ebenso eine Plage wie gestern Abend. Hier ist Stoizismus gefragt - oder als Motto «Leichen pflastern seinen Weg…» Nachdem wir gestern nachmittag bereits frühzeitig wegen auffrischenden, ablandigen Windverhältnissen geendet hatten waren wir heute wieder früh auf dem Wasser. Der achterliche, beständige Ostwind schob uns immer weiter in den Fjord hinein. 

 

Das Panorama ist mit Worten einmal mehr nur schwer zu beschreiben. Leuchtengrau ragen Bergketten beidseitig des Tingmiarmit mit ihren Zinnen in den blauen Sommerhimmel, ihre Kämme und Spitzen zerrissen. Die Hänge im unteren Drittel changieren zwischen staubigen, dunklem Grün und Hellgrün – dort, wo etwas Wasser den Berg herabkommt. Weiter oben Altschnee in Rinnen, Schrofen und Mulden, ganz oben blanker Fels, Schneefelder und Eis. Der Fjord zieht sich fast 18km schnurgerade dahin und macht am Ende ein S bevor er sich mit dem Tingmiarmiutfjord vereinigt. Einige wenige Eisberge liegen in grossen Abständen im Wasser und machen die Weite und Leere damit noch greifbarer. Der Wind schiebt zuverlässig aus Osten, frischt sogar noch auf, setzt den steilen Fjordwellen Schaumkronen auf und bringt damit die Kajaks in Surfen. Wunderschön…

 

Kurz vor dem Mittag dann eine scheinbar böse Überraschung – sind die Karten falsch, sind wir in einer Sackgasse? Wenn ja, dann müssen18km gegen den Wind wieder zurück und hinaus auf die offene See. Aber anscheinend stimmt die Karte nicht ganz, die schmale Durchfahrt ist auf der anderen Fjordseite. Aus unserer Froschperspektive und dem Winkel in dem wir auf das Land zuliefen was das nicht ersichtlich. Und ich hatte schon eine Portage oder den Weg zurück befürchtet…

 

Die letzten Kilometer bis zur Kreuzung von Tingmiarmit- und Tingmiarmiutfjord frischte der Wind nochmals auf. SURF! Zunehmend hatten wir Brucheis auf dem Wasser. Dann öffnete sich bei Niedrigwasser eine lagunenartige Bucht mit von Gletschermilch vermischtem, grünem Wasser mit gestrandeten Eisbergen, wir mitten hindurch. Das Bergpanorama mittlerweile dramatisch – Gipfel bis 2.000m, die anderen Täler öffneten sich unserem Blick, das Inlandseis und viele Gletscher wurden sichtbar. Und dann endlich wieder Grönland wie aus dem Bilderbuch – der ganze Fjord voller Eis, leichter Wind und das Panorama – ohne Worte, Glücksgefühle pur.

 

Es war wirklich eine der besten Entscheidungen der letzten Tage, die Route hier innerhalb der Fjorde und nicht draussen auf See zu wählen. Die Landschaft macht die Mehrkilometer mehr als wett. Ich möchte gar nicht wissen, was uns mit der Entscheidung entgangen ist, Skjoldungen aus den bekannten Gründen eben nicht zu umrunden…

 

Nachmittags machen wir nochmals ausgiebig Rast, nachdem die Mittagspause wegen des Windes nur kurz ausgefallen ist. Die Zeit nutze ich für einen kleinen Ausflug mit der Kamera, um die Weite des Fjordes in Richtung der Gletscher einzufangen. 

Wir haben heute schon um 1630 Schluss gemacht, sonst hätte n wir noch eine Diagonalquerung über den Fjord von fast 8km vor uns gehabt. Die Insel auf der unser Camp steht ist relativ gross und grenzt eine grosse, flache Bucht mit einem Eisbergfriedhof zum Fjord hin ab. Wunderschön. Vom höchsten Punkt hat man einen guten Blick auf das Mündungsgebiet des Tingmiarmiutfjordes nach Osten zur offenen See, wo jetzt im Abendlicht eine Seenebelbank hereindrückt und die südlichen Ufer teilweise verdeckt.

Expeditionstagebuch
21. Juli 2022  
33. Reisetag
Otto Rud Archipel

Nach 16 km entlang der gletscherbedeckten Küste von Ingerqajarpik beginnen wir mit der Querung hinüber zu den Otto Rud Inseln, um die vielen großen Buchten vor der Halbinsel Puisortoq abzuschneiden. Es ist windstill, warm, ein wenig Swell. Die Perspektive verschiebt sich nur langsam, es sind gute 8 km bis zur Inselgruppe auf der wir unsere Mittagspause machen wollen. Das Inlandseis beherrscht an diesem Küstenabschnitt wieder die Szenerie, wir kommen an langen Gletscherfronten vorbei. Nach der Hälfte der Strecke etwas Abwechslung, wir erreichen ein ausgedehnten Eisfeld das sich vor uns öffnet: Brucheisteppiche von Kalbungen, etwas altes Wintereis und einige größere Eisberge.

 

Der Bär im Fjord

Susanne ist vor mir, leicht links versetzt. Das Eis hebt und senkt sich leicht im Rhythmus des Swells, man hört das Klackern des Eises am Bootsrumpf, wenn wir uns einen Weg durch den Eisteppich bahnen. Spiegelglattes Wasser, kein Hauch, keine Strömung. Aus dem Augenwinkel nehme ich eine Bewegung wahr. Ich schaue genauer hin, ein Stück Eis bewegt sich – ziemlich flott sogar. Eine Robbe? Nein. Großer Buckel und kleiner Buckel. Der kleine Buckel dreht sich in meine Richtung und hat eine schwarze Schnauze – ein Eisbär, schwimmend. 15m von Susanne entfernt, kommt in unsere, ihre Richtung und sie hat ihn noch nicht bemerkt. Auf meinen Zuruf bekomme ich zur Antwort «What? A seal?» - sie hat ihn immer noch nicht gesehen. Der Bär versucht Witterung aufzunehmen und kommt auf uns zu, ich habe die Signalpistole bereits in der Hand. Nach einem weiteren Zuruf von mir gehen ihr die Augen auf und sie steuert ein. Die GoPro läuft, keine Zeit die Kamera aus dem Pelicase zu nehmen. Der Bär kommt näher, geschätzt 7-8m. Immer noch witternd, neugierig. Ein erheblich größeres Exemplar als der letzte. Eisbären sind ausdauernde Schwimmer und können im Wasser bis zu 60km am Stück zurücklegen. Allerdings haben sie im Wasser keine Chance, ein Kajak in Marschgeschwindigkeit einzuholen. Vorteil für uns, da uns im lockeren Eis genügend Platz zum Manövrieren bleibt.

Bleibt also 0 : 0 – unentschieden…

 

Der Strand an dem wir schließlich anlanden besteht aus lauter rundgewaschenen Steinen, von früheren Stürmen zu einem langgezogenem Wall von 3-4m Höhe aufgetürmt. Dahinter entdecke ich – zum ersten Mal in Ostgrönland – eine große Menge Treibholz. Ganze Stämme und sogar Wurzelstöcke liegen dort, von Wasser und Eis rundgeschliffen und der Sonne gebleicht. Schade dass wir nicht hierbleiben - das Feuer würde man wahrscheinlich bis Island sehen... Ich versuche mir das Wetter und die Wellen vorzustellen die notwendig waren um das ganze Holz hinter dem Steinwall abzulegen- aber da lässt mich meine Vorstellungskraft im Stich … Vor dem Strand ein großer Tafeleisberg, dahinter ein 180° Panorama in Richtung Festland aus Eisbergen, Wasser, Felsen und Gletschern. Das Inlandseis blendet die Augen mit gleißenden Licht.

 

Wieder in den Kajaks, taucht eine Ringelrobbe vor uns zum Luftholen auf. Sie  bemerkt uns, erschrickt und ist mit einem lauten Platschen wieder verschwunden. Als wir nach der Querung des Archipels nach Kap Sten Bille hinübersehen wird das Eis wieder ziemlich dicht, wir müssen zickzack fahren und Felder mit dichtem Brucheis queren. Wir finden einen legendären Platz für unser Camp auf kahlen Klippen aus bestem Granit. Das Auswassern der Boote ist durch den beträchtlichen Niveauunterschied allerdings wieder ein Kunststück für sich. Um uns herum Altschneefelder die bis zum Wasser reichen – aber es ist so warm (und glücklicherweise mückenfrei) dass ich mit blankem Oberkörper in der Nachmittagssonne sitze.

 

Abends machen wir den obligatorischen Spaziergang zum nächsten Gipfel, um uns die Beine zu vertreten und einen Blick von oben zu bekommen. Gleich beim ersten Schneefeld stoßen wir auf eine Bärenspur, die sich schnurgerade vom Hügel hinab zum Wasser zieht. Muss ein ausgewachsenes Exemplar gewesen sein, Schuhgrösse ca. 68… Außerdem ist die Spur noch ziemlich frisch, die Abdrücke im Schnee sind an den Rändern nur ganz leicht unscharf bzw. angeschmolzen. Der Rundblick von oben ist im Abendlicht betörend. In den kleinen Seen auf den Höhenzügen wächst Wollgras, die dicken weißen Köpfe spiegeln sich im Wasser. An den Hängen sehe ich zum ersten Mal in diesem Sommer Niviaq (arktisches Weideröschen), die Nationalblume Grönlands. Wenn sie blüht sei der Sommer da, sagen die Inuit.

 

Wir merken deutlich, dass wir bereits relativ weit im Süden sind – morgen werden wir 62°Nord queren. Bei 66° haben wir unsere Reise begonnen. Aktuell geht die Sonne 2130 Uhr hinter dem Inlandseis unter, es folgt eine lange Phase der Dämmerung mit wunderschönen Pastelltönen. Blaue Schatten liegen auf den Gletschern, gemischt mit einem Hauch rose. In Richtung Westen noch Abendrot, es ist merklich kühler geworden. Einige Meter unter mir klickern und klackern die Eisbrocken aneinander, die die auflaufende Flut an die Klippen drückt.

 

Bereits in der Dämmerung stellen wir noch den Bärenzaun auf. Dabei fällt mir wegen der klammen Finger die Spule mit der Schnur aus den Händen und verschwindet in einer Spalte zwischen den Klippen. Die Bergung der Spule und die anschließende Versorgung der Knoten dauert eine gute Stunde, aber schließlich ist auch das geschafft. Durchgefroren gehen wir in die Zelte.

blühendes Wollgras

Expeditionstagebuch
24. Juli 2022 
36. Reisetag / 43 km
Pyramiden Peninsula

Gestern habe ich noch mit Bea, unserer Wetterfee telefoniert. Ab sofort bekommen wir ein tägliches Wetterupdate anstatt der vorherigen 2 Tagesprognose, gestaffelt nach früh / mittag / nachmittag und den gewohnten Daten wie Windrichtung, Geschwindigkeit, Wellenhöhe und -richtung. Das macht die Daten erheblich genauer und erleichtert uns die Detailplanung. Das ist vor allem für die Querung der vielen Fjorde und Umrundung der Kaps von Vorteil, die auf den kommenden 180km Luftlinie bis zum Eingang des Prins Christian Sunds noch vor uns liegen.

 

Heute morgen windstill, etwas Nebel von SW – und die Mücken schwärmten wieder. Der Napassorssuaq Fjord den wir vor uns haben schiebt sich noch knapp 40km in Richtung NW und endet dann in einem grossen T. Die Gletscherabbrüche die wir gestern auf unserer Wanderung auf der anderen Seite des Sundes gesehen haben – titanisch ist kein Ausdruck dafür.

 

NO Wind drückt eine Nebelbank herein die jedoch von der Morgensonne rasch aufgelöst wird. Die 8 km Querung von Range Pynt nach SO zur Inugssuit Landspitze war unproblematisch  aber wegen de NO Windes so kalt, dass sogar ich meine Paddelpfötchen montiert & sogar teilweise genutzt habe. Swell zwischen 2,00 und 3,00, beachtlich.

 

Am Gegenufer ging der Spass mit dem Kabbelwasser – heute deftig wegen des hohen Swells - erst richtig los. Problematisch insofern, da viele unterseeische Felsen das Wasser zusätzlich unruhig machten sowie durch die Länger der Strecke - gut 4 km - bis wir den 110° Bogen abgearbeitet hatten und im Lee der ersten Bucht waren. Ab da war es dann mehr oder weniger unproblematisch. 

 

Nach der zweiten Nase - an der wir uns hinter einigen Inselchen durchmogelten, die Passagen nur für Kajaks passierbar - öffnete sich die fast 10 km breite Ternebucht. An deren Südseite machten wir im Wind- und Wellenschatten einiger Schären eine kurze Mittagspause. Der NO Wind frischte auf und brachte Nebel von der offenen See herein - wunderschön, aber kalt: zunächst wurden die Schwaden noch von der Sonne aufgelöst; irgendwann aber war der Nebel wurde der Nebel zu dicht und die Welt wurde grau und konturlos. Umrisse verschwammen, Eisberge tauchten wie Geisterschiffe aus dem Nichts auf.

 

Bei der Querung des Isortoq hatten wir wieder blauen Himmel; auf See Nebel, in Richtung Festland war alles in satte Farben getaucht. Irgendwann ein ausgedehntes Brucheisfeld, der Nebel hat uns wieder erreicht. Sanftes Klimpern & Klackern der rundgewaschenen Eisbrocken liegt in der Luft. Wir sehen weder wie gross das Feld ist noch wissen wir dessen Ausdehnung. Zunächst fahren wir an der Kante entlang. Als wir schliesslich dessen Ende erreichen, schälen sich monströs anmutende Eisberge aus dem Nebel, alle auf Grund gelaufen.

 

Nach weiteren 1 1/2km endlich eine Lücke von 10, 15m zwischen den Riesen, die Eiswände gut 30m hoch. Wir fühlen uns wie Kakerlaken, die unter Beobachtung eine offene Stelle queren, bloss nicht erwischen lassen. Kein Geräusch machen, die Paddel lautlos durchs Wasser ziehen. Keiner sieht uns...

Alles geht gut.

 

Als wir einige Zeit später den letzten Finger der Pyramiden Halbinsel erreichen, löst die Spätnachmittagssonne allmählich das Nebelgrau auf. Wir machen noch eine kurze Pause und beschliessen, noch eine weitere Querung hinüber nach Nuuk von 10 km in Angriff zu nehmen - der Wind steht immer noch günstig aufs Norden. Aber als wir wieder auf dem Wasser sind, rollt die nächste Nebelbank herein. Wir vereinbaren, dass - wenn es auf einer der vorgelagerten Inselchen Platz für ein Camp gibt - wir dort bleiben werden. Es ist kalt und wir nach diesem Tag ziemlich am Ende.

 

Dabei geht es nicht darum, dass wir sonst erst 2000 / 2030 aus den Kajaks kommen sondern um den Nebel. Die Temperatur ist schlagartig auf knapp 0°C gesunken, der Wind kühlt uns zusätzlich aus - feuchte Kälte, dazu schlechte Orientierung. Und das am Ende eines langen Tages.

 

Und prompt werden wir auf der Südseite der ersten Insel fündig: wind- und wellengeschützter Kiesstrand zum Anlanden, Treibholz für ein Feuer. Weiter oben dicke Moospolster für die Zelte, Trinkwasser ist ebenfalls vorhanden.  Kein Wunder  - die Insel ist ein alter Winterplatz der Inuit, deutlich kenntlich durch die immer noch sichtbaren Grundmauern der Torfhäuser. Licht & Nebel wechseln rasch in der Abendsonne, ich sitze in der geschützten Apsis und geniesse das Schauspiel.

 

Für morgen sind 20Kn Wind aus N/NO prognostiziert. Warten wir's ab...

 

 

Expeditionstagebuch
25. Juli 2022
37. Reisetag / 27 km
Kap Tordenskjöld

KALT.

 

Kalt war es bereits gestern abend, als der Nebel über dem Wasser hing und auch heute morgen bei bedecktem Himmel. Noch kälter beim einbooten -Trocki und Unterwäsche waren wegen des gestrigen Nebels nicht trockengeworden und noch klamm. Dünung wälzte sich grau mit gut 2m von NO herein als wir aufbrachen. Die Querung der 8 km hinüber zur Landspitz Nuuk war aber wegen fehlenden Windes unproblematisch.

 

Ab Nuuk wurde es einmal mehr ungemütlich. Um die Landspitze herum mussten wir einen grossen Bogen von 150° über 4 km machen. Erschwerend kamen die vielen Felsen und Riffe unter Wasser hinzu, die zusätzliche Wellen erzeugten; in jeder kleinen und kleinsten Bucht lagen auf Grund gelaufene Eisberge, die nochmals Widerwellen verursachten. Unangenehm, aber zu meistern. Die kommenden 8 km entlang der felsigen Küste bis Ivssortoq waren aber auch nicht unbedingt besser. Steilküste, Klippen, Rückwasser von Eisbergen und Wellen von allen Seiten. Und kurz vor Mittag passierte es dann – ich bin gekentert.

 

Wir wollten bei der Insel hinter mehreren Eisbergen, die Wind und Swell dort angetrieben und auf Grund gesetzt hatten durchschlüpfen um dahinter ins ruhige, abgeschirmte Wasser zu kommen; wir hatten eine Pause dringend nötig. Ich freute mich bereits auf einen Becher Kaffee, etwas zu essen und meine Pfeife. Doch das Eis war in Verbindung mit dem Wellengang unpassierbar. Also Drehen, zurück, wieder hinaus in die Wellen und einen Bogen von 500 – 600m um das Eis machen. Der Swell hier in Ufernähe war auf fast 3m; das Kabbelwasser, das von den Klippen und den Eistrümmern zurückkam verschärfte die Lage noch zusätzlich. Wie es dann tatsächlich passiert ist kann ich nicht sagen. Habe ich Wasser aufs Oberdeck bekommen von einer Seite mit der ich nicht gerechnet habe? Falsch gestützt? Falsch gekontert? Abgerutscht oder alles zusammen? Vielleicht war ich nach 3 ½ h hoher Konzentration und Vorfreude auf die Mittagspause auch nicht mehr 100%ig bei der Sache.

 

Jedenfalls – der letzte Stützversuch rechts geht ins Leere – PAM. Ich schaffe es auch nicht mehr das Kajak aufzudrehen. Ich will mich aus dem Cockpit ‘rausdrücken, Spritzdecke geht nicht auf. Schlaufe suchen, ziehen, raus. Um’s Paddel brauch ich mich nicht zu kümmern, das ist wegen solcher Situationen mit einem Spiralkabel fest mit dem Boot verbunden.

 

Problem 1 – ich bin ca. 50m vor dem Eisverhau gekentert, der auflandige Wind und die Wellen treiben mich direkt darauf zu.

 

Problem 2 – Kälte – ich weiss darum. Schliesslich ist es meine eigene Entscheidung, nur mit dünner Sportunterwäsche in den Trockenanzug zu steigen. Wenigsten habe ich heute morgen wegen der kühlen Witterung den Fleece daruntergezogen.

 

Problem 3 – über die vor einigen Tagen gerissene Latexmanschette am Hals kommt natürlich Wasser in den Trocki. Viel schlimmer ist aber die Kälte die meine Beine umgibt, das Wasser hat nur einige wenige Grad über 0°C. Susanne ist schnell zur Stelle und stabilisiert meinen Explorer. Mit dem Gesicht zum Bootsheck verdrehe ich meinen Oberkörper, schliesslich sind beide Beine im Cockpit, ich wälze mich herum und sitze wieder im Boot.

 

Problem 4 – der Explorer liegt mit mir, der Ausrüstung und dem vollgelaufenen Cockpit so tief im Wasser, dass jede Woge wieder über den Süllrand hereinschwappt und damit jeden Lenzversuch mit der Pumpe bereits im Ansatz wieder zunichte macht. Also verschieben wir die Kajaks um 3m und Susanne bringt uns beide mühsam um den Eisverhau herum, bis wir ruhigerem Wasser sind. 

 

Problem 5 – meine Füsse sind durch das Wasser im Cockpit und die vollgelaufenen Neoprenstiefel Eisklumpen, ich spüre sie bis zu den Knien nicht mehr. Dementsprechend lang dehnt sich die Zeit. Auch hinter dem Eis sind die Wellen noch so hoch, dass ich nicht lenzen kann – von anlanden ganz zu schweigen. Die Wellen würden mir auf der Stelle das Boot zerschlagen. Also weiter. Die Zeit dehnt sich endlos, meine Arme schmerzen vom Festhalten an Susannes Kajak.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichen wir eine einigermassen passende Felsbank. Rockhopping mit vollgelaufenem Kajak, nicht lustig. Mit der nächsten passenden Welle knalle ich auf den Felsen. Raus aus dem Boot und versuchen das Kajak zu stabilisieren / zu halten. Kein Chance. Nach dem 10./11. Versuch klappt es endlich, ich bekomme den Kahn hoch genug auf die Felsen dass er liegen bleibt. Hochkant stellen, lenzen. Nass. Kalt. Wieder rein. Susanne hat eingesammelt was von meiner Ausrüstung geschwommen ist bzw. was sie erwischt hat. Verluste auf meiner Seite: Schwamm, Thermoskanne (schmerzlich), Sonnenbrille (noch schmerzlicher), Tagesration Pfeifentabak, Feuerzeug. An der rechten Hand ist auf der Aussenseite des Mittelfingers die Haut am Gelenk grossflächig aufgerissen, wahrscheinlich habe ich mich beim Ausstieg am Eispickel verletzt. Aber das grösste Problem ist das verschwundene Selbstvertrauen, dass ich die kommenden Wochen meistern kann. Der verletze Stolz. Die Furcht, nochmals zu kentern – dann bei schlechteren Verhältnissen und Steilküste. Was dann?

 

Die anschliessende Mittagspause war für mich dementsprechend arbeitsam, kurz – und kalt.

 

Die weiteren Kilometer zum Kap Tordenskjold, einem trutzigen, fast 800m hohen Pfeiler waren von den Wasserverhältnissen nicht unbedingt besser – wobei das Hauptproblem mein Kopf war. Nordwind setzte ein, die Dünung weiterhin hoch und das Wasser kabbelig. Ganz zu Schweigen von meiner jetzigen Vorsicht, ja fast Verzagtheit. Nach dem Kap wurde der Wind böig und frischte weiter auf sodass wir beschlossen uns einen Platz für das Camp zu suchen und für heute Schluss zu machen. Mir war das mehr als recht, ich hatte genug für heute. Und ich war schon lange nicht mehr so froh gewesen in richtig trockene Sachen zu kommen – trotzdem hatte ich bis in den Abend hinein eiskalte Füsse.

Expeditionstagebuch
27. Juli 2022
39. Reisetag / 27 km
Qeqertatsiaq

Heute gab’s wieder einige Überraschungen…

 

Gestern nacht schlecht geschlafen, meine Finger sind jeden Abend geschwollen & schmerzen – wahrscheinlich durch den häufigen Kontakt mit dem kalten Spritzwasser und dem Wind. Mit Neoprenhandschuhen will ich aber nicht fahren – fehlendes Griffgefühl - und mit den Paddelpfötchen ist es mir schlichtweg zu warm. Ausserdem habe ich tagsüber weder kalte Hände noch friert es mich…

 

Der Platz auf den terassenförmigen Klippen war ja wirklich schön. Wasser lief von Stufe zu Stufe herab und floss direkt an den Zelten vorbei. Allerdings zog von NO dunkle Bewölkung heran. Ich rechnete mit Regen & Wind und schleppte lieber gleich noch einige Steine heran um die Zeltbefestigungen zu verstärken. Mitten in der Nacht wache ich auf und stopfe in einem Anfall von Heisshunger Schokolade und Studentenfutter in mich hinein. Man sieht es unseren Körpern mittlerweile an, dass sie zu wenig Brennstoff bekommen. Die Gesichter wirken nicht nur sonnenverbrannt, sondern beginnen hager zu wirken Das (vorher bereits) wenige Hüftgold ist komplett verschwunden, mein Sixpack wieder ausgeprägt Die Rippen sind gut sichtbar - ich bin echt gespannt, wieviel ich auf die Waage bringe wenn ich wieder daheim bin…

 

An der Stelle ein paar Worte zu unserer Verpflegung – vor allem für die Leser, die ähnliches noch nicht gemacht haben oder machen werden.

 

Frühstück – Müsli, Milchpulver (aufgelöst in Wasser), Kaffee. Heisswasser für Tagesgebrauch in Thermoskannen abfüllen.

 

Tagsüber – Kaffee, Müsli- und Schokoriegel, Trockenfrüchte, Nüsse, Schokolade, Trockenfleisch, Salami, Trockenfisch. Vollkornbrot & Käse ist irgendwann nach den ersten 2 Wochen ausgegangen, auch zu schwer / zuviel Volumen um mehr mitzunehmen. Klaus und Susanne hatten selbst gebackenes, vakuumiertes Knäckebrot dabei – leicht & lange haltbar.

 

Abends – Je nach Lust & Laune als Vorspeise Suppe (heisse Tasse), Hauptgericht Travel Lunch (dehydriert – wird nur mit kochendem Wasser aufgegossen und muss dann 5-10min ziehen). Bei den dehydrierten Nahrungsmitteln ist mittlerweile eine sehr breite Palette verfügbar: Nudel-, Reis- und Kuskusgerichte, Süssspeisen. Mit Fisch, Fleisch, Vegetarisch und sogar Vegan. 

 

Mehl zum Brotbacken hatten wir keines dabei, da der Brennstoff für die Kocher auf die tägliche benötigte Menge Heisswasser berechnet bzw. rationiert war. Öl zum Braten hatten wir ebenfalls aus denselben Gründen nicht dabei. Ich wollte mich speziell in Ostgrönland nicht auf unzuverlässige Treibholzvorkommen verlassen. Ausserdem – wenn man abends aus dem Kajak steigt und der Hunger kommt, muss es mit dem Essen schnell gehen. Da bleibt in meinen Augen keine Zeit, noch (eventuell) selbst gefangenen Fisch zuzubereiten. Arbeit gibt es ja so schon genug die noch erledigt werden muss… Abends nach dem Essen dann nochmals Kaffee / Tee sowie Schokolade oder ab & zu – speziell nach harten Tagen - noch eine der rationierten Süssspeisen. Satt wird man also schon, auch wenn man durch das Leben im Freien, die kühlen Temperaturen sowie die körperliche Betätigung/Anstrengung in Summe mehr Kalorien verbrennt als man zuführt.

 

Das Bassin in dem wir gestern bei Flut gut anlanden konnten war natürlich heute morgen wegen Ebbe leer, sodass wir einen Klippenstart bei glücklicherweise nur leichtem Swell machen durften. Timing war dabei trotzdem alles um den richtigen Zeitpunkt zu erwischen.

 

Zunächst liefen wir mit achterlichem Wind noch einige Kilometer weiter in den Igutsait Fjord hinein, bevor wir uns an die Querung mit Kurs auf die grosse Landzunge am südlichen Ufer machten. Der Wind war eingeschlafen, leichter Swell von einem Meter und das Wasser wie Öl. Auf der anderen Seite machten wir im (noch) ruhigen Bereich eine kurze Pause, bevor wir uns weiter auf den Weg zum noch entfernten Kap Olfert Fischer machten. Je näher wir der offenen See kamen desto ruppiger wurde das Wasser. Der Swell nahm zu und der auf SO drehender Wind verschärfte die Situation noch. Aber – Zähne zusammenbeissen und weiter, auch wenn sich die Strecke wie Kaugummi zog. Irgendwann hatte sich die Höhe des Swells mehr als verdoppelt und kam zügig von NO, der SSO Wind schob frische grüne Wellen aus einer neuen Richtung mit Schaumkronen herein, dazu noch das Widerwasser von den Klippen und Felswänden. Anspruchsvoll.

 

Das Kap selber – eine spitze Nadel – umrundeten wir in einem weiten Bogen, da die See dort buchstäblich kochte. Gischtfontänen von den anbrandenden Wellen schossen mehrere Meter in die Luft, weissschäumend lief das Wasser wieder die Klippen herab. Normalerweise, so hatten wir die Erfahrung gemacht, ist es auf der anderen Seite des Kaps immer ruhiger – aber eben nicht heute. Der SO Wind kam nach dem Kap jetzt nämlich ungebremst von der offenen See in den Kangerdluluk und brachte Swell aus einer neuen Richtung von geschätzt 3 Metern mit sich. Verschärft, ja potenziert wurden die Wellen von der Uferform – relativ flache Klippen auf die die Wellen im 30° hinaufrollten, brachen und um 30° versetzt wieder in den Fjord zurückliefen. Eine teuflische Situation, da sich dadurch die Wellenamplituden teilweise verdoppelten und der Wind immer noch kräftig schob. Rückblickend haben Susanne und ich beide gesagt, dass hier in einer Notsituation Hilfe wohl fast unmöglich gewesen wäre, selbst wenn man nur wenige Meter vom Kollegen entfernt gewesen wäre. Das Kajak im Fall der Fälle bei den Verhältnissen zu drehen und gegen den Wind zu bringen… 

 

Es liest sich jetzt alles leichter als es tatsächlich war. Spass hat es ja trotzdem gemacht, geflasht von Adrenalin bis zu den Haarwurzeln – aber nachdenklich wird man trotzdem.

 

Also nochmals eine halbe, dreiviertel Stunde höchster Konzentration, nachlassender Kraft und schmerzenden Schultern weiter bis zur ersten möglichen, einigermassen ruhigen Bucht. Dort im hintersten Winkel haben wir ein ruhiges Eckchen gefunden in dem der Swell fast nicht mehr spürbar war und wir rauskonnten um Mittag zu machen. Beim Aufbruch – die Flut war am Steigen – wurde mein Explorer vom ablaufenden Wasser einer Welle auf Grund gesetzt und die nächsten Welle hat ihn dann schlichtweg geflutet, Cockpit einmal mehr vollgelaufen… Aber das hat wohl jeder Kajakfahrer so oder so ähnlich auch schon ein- oder mehrmals erlebt. Also Lenzen und dann weiter. 

 

Als wir dann wieder auf dem Fjord waren merkten wir dass der SO immer noch ziemlich stark war. Dementsprechend haben wir den Kangerdluluk nur noch gequert und uns sehr schnell entschieden, das nächste Kap - Sarqap Nua- heute nicht mehr zu machen. Belohnt wurden wir mit einem Platz für’s Camp auf der Inselgruppe Qeqertatsiaq mit viel Treibholz für eines der wenigen «richtigen» Feuer während der ganzen Tour, sowie einem grossen Eisbergfriedhof direkt vor unserer Bucht. Trinkwasser dürfte die kommenden Wochen eventuell zu einem Problem werden, die Gegend ist staubtrocken. Schneefelder gibt es keine mehr, sämtliche Pfützen, Tümpel und Seen sind leer.

 

 

 

Nachtrag zu gestern Vormittag – Venturi Effekt live

 

Kleines Kap, vorgelagert in gerader Linie (ausgerichtet nach O) 4 kleine Felsinselchen mit Abständen zwischen 10 und 50m. Soweit klar, kann sich das jeder vorstellen?

 

Swell mit gut 2m trifft im 90° aus N auf diese Kette. Abstand Kap – 1. Insel gut 10m, dazu noch vorgelagerte Felsen. Schon von weitem sichtbar schiesst die Gischt fast haushoch in den Himmel. Geht also nicht…

 

Aber zwischen der 1. und 2. Insel ist der Abstand wohl 30m. Auch hier links und rechts Gischt an den Ufern, Kabbelwasser ist ebenfalls aus der Entfernung ersichtlich – aber es sollte funktionieren. Alternative: ein weiter Bogen um alle Inseln herum, ein Umweg von mehreren 100m, allerdings im erheblich ruhigeren Wasser...

 

Klar gings – aber vor allem richtig zur Sache. Eiskanal (eine berühmte Wildwasserstrecke in Augsburg) in 3D, Dolby Surround Sound & Breitwandkino, gefühlt Waschmaschine im Schleudergang. Kabbelwasser von 2,00 – 2,50m zwischen den Inseln, Swell von 2m und das rücklaufende Wasser von den Klippen. Teufel, von draussen hat das wesentlich ruhiger ausgesehen. Einmal falsch mit der Wimper zucken und das war’s….

Aber schön war’s trotzdem.

 

Venturi Effekt: kleinerer Querschnitt (in diesem Fall die Passagen zwischen den Inseln) erhöht die Strömungsgeschwindigkeit (in diesem Fall wurde der Swell zwischen den Inseln schneller & höher)

 

Bernoulli-Gleichung – Wikipedia

 

 

Expeditionstagebuch
31. Juli 2022
42. Reisetag / 28km
Nagtoralik Fjord
 

Eigentlich sollte es Tage geben, an denen die Kilometerleistung doppelt oder sogar dreifach gewertet wird – heute war einer dieser Tage.

 

Heute morgen sind wir so gut wie ohne Aufwärmphase aus einer ruhigen Bucht der Ingerdlorsiaq Halbinsel gestartet, vorbei an vielen auf Grund gelaufenen Eisbergen ins offene Wasser. Es war fast windstill, aber wir hatten kräftigen Swell von 1,50 – 2,00m von O / SO. Die gut 10 km bis Kap Walloe inklusive der Querung des langgezogenen, schmalen Kangerdluaraq gingen relativ problemlos vonstatten, aber man musste schon bei der Sache sein und sehen was der Bug macht.

 

Kap Walloe, eines der letzten Kaps das wir noch passieren müssen, hat wieder die ungefähre Form eines Hammerkopfes und ragt trutzig wie eine Burg aus dem unruhigen Nordatlantik. Gekrönt wird es vom Zwillingsgipfel des Brystfjeldet – der Name ist Programm 😊. Dem Kap selber ist eine kleine, unbenannte Felseninsel vorgelagert, ca. 200m vom Festland entfernt mit einer Länge von gut 500m

Und plötzlich – das seit Wochen ersehnte Blasgeräusch eines Wals. Endlich! Ich habe es so vermisst. Ich habe so darauf gehofft, diesen Sommer endlich wieder Wale vom Kajak aus aus der Nähe zu sehen, ihnen nahe zu kommen. Es ist ein Finwal. Susanne quietscht vor Begeisterung. Der Blas, die Atemluft, steigt mehrere Meter in Luft, der Wal zieht einige Kreise um uns, taucht dann ab und bleibt verschwunden.

 

Der Swell hatte mittlerweile gute 3m erreicht und als wir auf das Kap zuliefen wurde es ziemlich unruhig. Am Festlandsufer schoss die Gischt der anbrandenden Wogen mehrere Meter die steilen Felsplatten hinauf, an den Klippen der Felsinsel noch höher. Im Kanal dazwischen ein grosser Eisberg nach 1/3 der Strecke, etwas rechts von der Mitte in Richtung Festland. Im Kanal sieht es aus der Entfernung im Gegensatz zur offenen See erheblich ruhiger aus – so beschliessen wir die Passage zu machen und die Insel nicht zu umfahren – ein Fehler, wie sich herausstellen sollte. Denn der Swell kam ja von O/SO (also auf uns zu ) und wurde aktuell einfach durch die vor uns liegende Insel gedämpft und auf die See zurückreflektiert. Turbulent war die Durchfahrt trotzdem. Hohe Widerwellen, Kabbelwasser von 1,50m, Gischt, Schaum. Aktion und blitzschnelle Reaktion. Nicht mal die Zeit um nachzudenken oder Angst zu haben. Ausserdem – nach 500m sollte es ja schliesslich ruhiger werden, oder?

 

Aber – wie gesagt – der Swell kam von SO und trifft uns voll im unruhigen Wasser am Ende der Passage. Zusätzlich steigt hier anscheinend auch der Meeresboden stufenartig an, sodass wir anstatt 2,00oder 2,50m plötzlich eine Wellenhöhe zwischen 3 und 4m hatten, dazu noch die Widerwellen von den Steilufern. Kurz vor Panik, Angst, Klumpen im Magen. Hier eventuell aussteigen zu müssen bedeutet mindestens den Verlust von Kajak und Ausrüstung, wahrscheinlich den Tod. Die Wogen dreschen so auf die Steilufer ein dass sie alles kurz und klein schlagen, und das auf den nächsten 4-5km.

Irgendwann schaltet mein Kopf aus und der Körper, das Muskelgedächtnis mit seinen Reflexen übernehmen. Sonst hätte ich es wohl nicht geschafft. Teilweise war das komplette Vorschiff bis zum Cockpit im Wasser, teilweise mein Arm beim Kontern bis zu den Schultern. Bloss nicht nach links und rechts schauen was auf Dich zurollt. Nur sehen, beobachten, fühlen was der Bug macht und dann blitzschnell kontern. Einmal hätte ich es trotzdem bald nicht mehr geschafft das Kajak wieder aufzurichten – und dann sind plötzlich wieder Angst und Unsicherheit wieder zurück. Und 4 Kilometer werden plötzlich als Ewigkeit empfunden, das subjektive Zeitgefühl ist komplett aus der Spur. Und vor allem – man muss schön draussen auf See bleiben, weil dort das Wasser immer noch erheblich ruhiger ist als näher an der felszerissenen Steilküste. Also keine Diagonale in Richtung der ersten Bucht, die ruhiges Wasser verspricht.

 

Als wir dann endlich auf die Bucht eindrehen können, habe ich Mühe das Kajak daran zu hindern auf den hohen Wellen das Surfen anzufangen. Erst auf den letzten Metern lasse ich es zu – und geniesse es. Und das Ganze bei Ostwind, der noch zusätzlich schiebt und die Wellen antreibt. Mit einem halben oder sogar ganzem Meter mehr Swell hätten wir es wohl nicht mehr geschafft. Die ganze Dramatik der letzten Stunde wird mir erst richtig bewusst, als ich mich im ruhigeren Wasser umdrehe und Susanne auf den hereinrauschenden, geschätzt 4m hohen und schaumgekrönten Wellen hereinsurfen sehe… Das Zittern kommt erst jetzt, als der Adrenalinpegel wieder langsam sinkt und sich die Erschöpfung bemerkbar macht. Und die Endorphine machen sich bemerkbar – ich bin froh, die Situation gemeistert zu haben und noch am Leben zu sein. 

 

Die Mittagspause haben wir dann verdientermassen vorgezogen und in der geschützten Bucht auf einigen Klippen verbracht. Der Plan war, noch eine Strecke von 20, 25km zurückzulegen: 8 km bis zum Nagtoralik Fford, diesen queren, die darauffolgende Halbinsel zu umrunden und dann bei Mannes Havn am Eingang des Lindenow Fjordes Camp zu machen. Aber - wir haben lange vorher aufgehört, da die Konzentration nicht mehr da war und auch die Kraft nachliess. Swell weiterhin bei 2,50 – 3,00m, teilweise unregelmässig und unberechenbar, dazu weiterhin auffrischender Wind aus SO. 

 

Ich sitze im Kajak, sehe aus dem Augenwinkel eine Woge nach der anderen heran- und unter mir durchrauschen, von der anderen Seite kommen die Widerwellen von der Steilküste zurück und habe das Gefühl, dass wir nicht vorankommen. Wir treten bzw paddeln auf der Stelle. 35 km vor uns gleissen die Gletscher vom Südufer des Lindenow Fjorde im Licht – ich sehe sie, ich sehe sie nicht, ich sehe sie – aber sie wollen einfach nicht grösser werden…

 

Die Einfahrt in den Nagtoralik Fjord ist nochmals ein Kraftakt. Aber gleich in der ersten, am Nordufer gelegen Bucht werden wir fündig: hinter mehreren auf Grund liegenden Eisbergen erwarten uns ein flacher Geröllstrand, Frischwasser das von den Bergen kommend einen kleinen See bildet, Heidekraut und dichtes Gras am Standplatz für die Zelte – Luxus pur in unserer kleinen Welt. Was macht es da schon aus, dass die Sonne bereits um 1700 hinter den Bergrücken verschwindet und wir im Schatten sind? Abends wird es windig, Nebel kommt von der See herein , verwischt die Konturen und bringt feuchte Kälte mit sich.

Expeditionstagebuch
03. August2022
45. Reisetag / 23km
Alup tunua, Kangerdluatsiarssuasik

Ein Wort zu unseren Kilometerleistungen. 

Kalkuliert habe ich die Tour mit durchschnittlich 20km/Tag, 5 Tage die Woche sowie 2 Tage Schlechtwetter / Ruhetage. In den ersten Tagen haben wir aufgrund der Eislage ca. 10km/Tag zurückgelegt, dann waren es um die 30km/Tag, schliesslich über 40km/Tag – je nach Wind- und Seeverhältnissen. Aber – die Kilometer sind generell nur eine Masseinheit für die zurückgelegt Strecke und sagen – speziell bei dieser Tour – nichts aus über Eissituation, Wind, Swell und Wellen. Dazu kommen natürlich auch die physische und psychische Tagesform. Ob wir auf der offenen See unterwegs sind oder in geschützten Fjorden mit Rückenwind dahingleiten oder uns im unruhigen Kabbelwasser um Kaps und Landzungen herumarbeiten.

 

Jedenfalls – heute haben wir wieder einen Meilenstein geschafft. Wir haben Kap Ivar Huitfeld, unser letztes Kap in Ostgrönland, passiert. Und es scheint, als hätten wir einmal mehr alles richtig gemacht…

 

Aufgestanden sind wir heute bereits um 0500, unser Lagerplatz auf den Klippen lag noch im Schlagschatten des Küstengebirges. Als wir um kurz vor 0700 in Kajaks sassen hat die Sonne dann auch für uns geschienen. Gleich auf den ersten Metern in Richtung offene See – es waren nur knapp 3 km – machte sich der hereinkommende Swell nachdrücklich bemerkbar. Am Fjordausgang hatten wir geschätzte 2,00 – 2,50m Wellenhöhe, die allerdings seidenweich und unaufgeregt unter den Kajaks durchzogen, Windstille. Einige Riffe und unterseeische Felsen gischteten weiss/grün im Morgenlicht, die Brecher dort mehrere Meter hoch. Diese umgingen wir in einem grossen Bogen zur offenen See hin. Wegen des hohen Swells und des dadurch resultierendem hohen Widerwassers an der Küste hielten wir weiter Kurs auf die offene See, bis wir eine Distanz von ca. 3km zum Ufer hatten. Hier heraussen war es dank Windstille erstaunlich ruhig., obwohl sich die Wogen mit gut 3m und mehr unter uns durchwälzten. Die tiefe, trichterförmige Bucht unmittelbar vor dem Kap querten wir ebenfalls weit draussen, ein leichter Wind aus Süd kam auf. Vom Kap Farvel her zogen tintige Wolken heran – Eile war geboten.

 

Das Empfinden - wenn Du weit draussen auf dem Meer bist und die Küste nur noch als Strich siehst - ist, dass die gefahrene, tatsächliche Geschwindigkeit nahezu null ist. Der Horizont, die Küstenlinie, die markanten Punkte wie Berggipfel, Gletscher oder Kaps scheinen ihre Lage nicht zu verändern. Du fühlst Dich wie eine Ameise auf einem Fussballfeld, siehst immer nur die nächste Woge vor Dir. Mit jeder Woge, jeder Wellenbewegung taucht das Land wieder auf – nur um gleich darauf wieder zu verschwinden. Nur die drohenden dunklen Wolken bleiben immer im Blickfeld und treiben Dich zu r Eile an.

 

Plötzlich – innerhalb von 50, 60m ändert sich die Farbe und Struktur des Wassers, es wird extrem ungemütlich. Der von S/SO kommende Swell bricht sich am Kap (wir sind nach dem Kap im weiten Abstand zu Küste nach Westen abgebogen) und ab hier kommt trotz unserer grossen Distanz zur Küste das Rückwasser wieder ins Spiel. Swell 2,50 – 3,00 m von SO, 1,50 – 2,00m von NO ergeben eine Verschneidung von gut 90°. Interessante Konstellation – Tempo ist hier nicht mehr zu machen, nur kontern, kontrolliert surfen und vor allem – Tempo ‘rausnehmen…

 

Nach kurzer Pause im Wellenschatten von grossen, auf Grund gelaufenen Eisbergen wieder raus auf die unruhige See und um die letzte Nase herum bevor wir im Kabbelwasser zwischen Schären und Festland in den Alap Tunua (Fjord, in den drei Gletscher kalben) nach Westen eindrehen. Wind von NO, Swell von NO, die tintigen, schwarzen Wolken von S sind schon nahe heran. Aber es passt noch – wir machen eine Diagonalquerung von 6km in nicht einmal 40 Minuten, getrieben vom Rückenwind.

 

Es ist kurz nach 1200, wir haben 4 1/2h ohne grössere Pause auf der Uhr. Als wir um die Landzunge kommen und in die Bucht einbiegen in der wir Mittag machen wollen, bringt der Wind plötzlich Wärme mit sich und frischt in Böen fast bis Sturmstärke auf. Die tintigen, schwarz-blauen Sturmwolken sind über uns.

 

Also – keine Mittagspause. Boote aus dem Wasser, entladen, Camp machen, Steine schleppen um die Zelte sturmfest zu machen, Wasser holen, Kajaks / Zelte nochmals sichern – dann in der Windstille der Apsis Kaffee, eine Pfeife.

 

Es wird stürmisch, die Zelte arbeiten im Wind. Zur Feier des Tages mache ich mir eine Portion Rührei (was würde ich für ein Stück Brot geben…) und mache anschliessend ein Schläfchen während der warme Wind ums Zelt orgelt und Wellenmuster ins aufgewühlte Wasser des Fjordes zaubert.

 

Abends setzt Regen ein, die grossen Gletscher auf der anderen Seite verschwinden hinter den Wasserschleiern. Ab & an Starkregen. Die Wetteraussichten für die kommenden Tage sind nicht berauschend. Für morgen haben wir eine potentielle Piteraqwarnung, für das Wochenende Sturmwarnung für den Prins-Chrisitian-Sund. Wir werden es sehen – und alles auf uns zukommen lassen. Einfach wie immer.

Expeditionstagebuch
08. August 2022
50. Reisetag / 39km Aappilattoq

Aappilattoq – eine Dusche und eine Einladung zum Abendessen 

 

Im Prins Christian Sund hatten wir bis jetzt mit viel Gegenwind zu kämpfen. Das war bereits vor 3 Tagen an dessen östlicher Einfahrt der Fall, als wir schon mittags nach nur 18km im Windschatten einer felsigen Halbinsel Camp machen mussten.

 

Vorgestern haben wir nach gut 40 km Sveardfisk Havn erreicht. Dieser ist in den Seekarten als «offizieller Ankerplatz» vermerkt und markiert die halbe Fjordlänge. Der wilde Prins Christian Sund - für unsere Begriffe und an ostgrönländische Wildnis gewohnten Augen eher lieblich wirkend - steht auch auf dem Programm der meisten Kreuzfahrt Veranstalter. Deren Schiffe nutzen oft diese Ost-West Verbindung, um die meist stürmische See um das Kap Farvel zu umgehen. Tja, Kreuzfahrer. Wochenlang haben wir keinen Menschen gesehen, keine menschlichen Geräusche gehört -  und dann sehen wir am Tag bis zu zwei Kreuzfahrtschiffe und werden von Ferngläsern und grossen Teleobjektiven beobachtet… Clash of culture. Am Ende müssen wir bei Fjordquerungen noch aufpassen, dass wir nicht von den Schiffen überrannt werden…

 

Gestern morgen bereits wieder Westwind vom Feinsten. Unten am Wasser mit Sicherheit 20 – 25kn, in Böen deutlich darüber. Grüne Wellenberge auf dem Wasser, fast ausnahmslos mit Schaumkronen. Wir beschliessen, nicht weiterzufahren. Die Gegend ist viel zu schön, um nicht einen oder zwei Tage hier zu verbringen. Letztendlich habe ich den Tag genutzt, um wieder mal ausgiebig zu fotografieren und eine längere Wanderung in den Bergen zu machen. Die ersten Blaubeeren werden schon reif…

 

Heute Morgen sind die Zelte nach einer klaren Nacht mit dem ersten Herbstreif bedeckt. Es ist ziemlich frisch, da die Sonne unser Camp erst kurz vor 0700 erreicht. Aber – blauer Himmel und windstill. Der blaue Himmel hat sich allerdings nicht lange gehalten, bis wir unterwegs sind ist es bereits wieder fast vollständig bedeckt, leichter Ostwind setzt ein. An der engsten Stelle des Fjordes queren wir bei auffrischendem Ostwind auf die Südseite. Die Kajaks sind am Surfen, die Wellen bekommen erste Schaumkronen, fangen teilweise an zu brechen. Irgendwann muss ich raus um meinen Fleece unter den Trocki anzuziehen – ich war auf Sonne eingestellt, nicht auf Wind und gischtende Wellen. Die Verhältnisse werden allmählich anstrengend, da der Wind auf NO dreht und speziell bei den Gletschertälern direkt von N kommt. Die Wellen laufen jetzt diagonal über den Fjord und wir mehr oder weniger parallel zu den Wellen, um unseren Kurs halten zu können. Eine nasse und kalte Angelegenheit, Kopf & Oberkörper bekommen nach jedem Paddelschlag Spritzwasser ab. 

 

Interessant wird es am westlichen Ende des Fjordes – ein 90° Turn nach Süden um Niaquornaq herum. Was wird der Wind machen? Folgt er dem engen Tal oder geht er über den Höhenzug der Akuliaruseq Halbinsel weiter nach Westen? Bevor wir nach Süden abbiegen können müssen wir nach einer kurzen Pause aber noch eine letzte Landzungen umfahren, die Kajaks nach N ausgerichtet. Wind & Wellen kommen weiterhin aus NO. Kurze, steile Fjordwellen, sämtlich schaumgekrönt, regelmässig brechen sich deren Kämme. Ich bekomme zwei, dreimal eine richtige Dusche ab, als sich unmittelbar neben mir Wogen brechen. Pfui ist das frisch. Und natürlich läuft mir das Wasser über die zerfledderte Halsmanschette schön weiter nach unten.

 

Nach der Nase sind die Wellen weg, der Wind folgt aber terrainbedingt dem engen Fjordtal, biegt mit uns nach Süden ab und schiebt weiterhin kräftig von hinten. Es folgt also eine weitere flotte Querung von 4 km hinüber zur Akuliaruseq Halbinsel. Von dort bekommen wir leichten Gegenwind aus von SW, was das Wasser einmal mehr unruhig macht. Das mit der Flut hereindrückende Wasser von der offenen See ist dunkelblau, fast schwarz – ein deutlicher Kontrast zur milchig-grünen Farbe des Prins Christian Sundes, der geprägt ist vom Schwemmmaterial der Gletscherabflüsse.

 

Es folgt ein 180° Turn nach Norden, Wind und Wellen schieben jetzt moderat von SO. Dadurch geht die folgende Querung zur Nordspitze der Angnikitsoq Insel zügig voran. Es folgt die böse Überraschung des Tages: wir drehen an der Nase um 120° auf SSW und haben – Gegenwind. Unerwartet und vom Feinsten. Ähnliche Windgeschwindigkeiten wie heute vormittag, nur eben aus der entgegengesetzten Richtung… Aber wir sehen gleichzeitig kleine, bunte Punkte auf der anderen Seite des Sunds: die Häuser von Aappilattoq. Die erste Siedlung, die ersten Menschen, der erste Laden seit Wochen. Nochmals eine Querung von 4 km.

 

20 Minuten vor der Schliessung des Dorfladen laufen wir in die perfekt geschützte Hafenbucht von Aappilattoq ein, Themo Benjaminsen erwartet uns schon. Themo, Jäger und Fischer, ist unser persönlicher Held. Wir haben bereits im Juni ein Lebensmittelpaket von Tasiilaq aus zu ihm geschickt – für den Fall, dass es bei uns knapp wird. Vor zwei Tagen, als wir kurz vor Svaerdfisk Havn sind, taucht plötzlich ein Motorboot auf, Themo am Steuer. Über den Blog von Susanne wusste er genau, wann wir dort sein würden. Mit dabei hatte er neben unserem Care Paket auch frisches Obst… Und ebendieser Themo nimmt uns unter seine Fittiche, wir sind heute abend zum Dinner bei ihm eingeladen.

 

Quartier machen wir im örtlichen Servicehaus. Nach Wochen im Zelt und an der frischen Luft fühle ich mich in geschlossenen Räumen nicht mehr wohl, alles kommt uns überheizt und stickig vor.

Servicehäuser gibt es in jeder Gemeinde in Grönland. Da speziell in den Aussensiedlungen die meisten Häuser über kein fliessend Wasser (und dementsprechend weder Waschmaschine noch Dusche) verfügen, gibt es dort Waschmaschinen, Trockner und Duschen für die Einheimischen. Ausserdem sind sie Nachrichtenbörse, Versammlungs- und Veranstaltungsort und verfügen über Zimmer, die von Reisenden preiswert gemietet werden können.

 

Dort also die erste Dusche , das erste heisse Wasser seit unserem Start in Tasiilaq – ein Luxus, eine Wohltat, wenn auch nicht wirklich notwendig. Aber der Blick in den Spiegel erschreckt mich dann doch etwas. Dass ich nach 8 Wochen verwildert aussehe ist mir klar. Aber ich habe viel Gewicht verloren, habe kein Gramm Fett mehr am Körper. Jede Rippe sticht heraus, ebenso ein kräftig ausgeformter Sixpack.

 

Dementsprechend lange ich abends bei Themo zu. Nachmittags habe ich bereits einen Laib Brot, 300g Leberpastete, Käse und Eis verschlungen. Jetzt am Abend verputze ich immer noch gierig Schweinebraten mit Kruste, Kartoffeln, Rotkraut und dunkler Sosse. Zum Schluss hatte ich 4 Scheiben Fleisch. Nachtisch ebenfalls mit Nachschlag, Kaffee. Dann – satt und glücklich.

 

Aappilattoq ist ein schmuckes Dorf, hingekauert auf einer kleinen Landzunge an einer geschützten Bucht am Fuss von hohen, schroffen Bergen. Der Blick schweift weit über den Fjord zu den schneebedeckten Bergketten Südgrönlands. Die südlichste Gemeinde Grönlands liegt geborgen in den Fjordtälern nahe dem Kap Farvel, eingerahmt von alpinem Panorama. Was sofort auffällt, wenn man Siedlungen in Ostgrönland gewohnt ist: es liegt kein Müll herum. Keine leeren Bierdosen oder zerbrochenen Flaschen, keine Plastik- oder Chipstüten. Respekt. Der Fischverarbeiter Royal Greenland hat eine Niederlassung im Ort, Themo kann seinen Fang hier abliefern. Viel bekommt er allerdings nicht dafür. Das Dorf selber ist schmuck, die meisten Häuser sind frisch gestrichen und gepflegt. Nur wenige Häuser sind verlassen. Wirtschaftlich scheint es den Menschen hier besser zu gehen als in Ostgrönland. Aktuell leben ca. 80 Menschen hier, davon 5 Kinder. Alle 14 Tage kommt der Versorgungskutter aus Nanortalik, um den Laden wieder zu befüllen und sonst bestellte Güter zu liefern. Und der Kutter verkehrt ganzjährig,  auch im Winter. Hier im Süden bleiben die Gewässer eisfrei, auch wenn im Winter häufig heftige Stürme den Fischfang unmöglich machen sagt Themo. Das Eis kommt erst im Frühjahr & Frühsommer, wenn mit dem Ostgrönlandstrom das Packeis in den Süden kommt. Dann kommen auch vereinzelte Eisbären.

 

Wir werden morgen noch einen Tag in Aappilattoq verbringen. Morgen abend kochen wir dann - eben haben wir Themo und seine Familie zum Essen eingeladen.

 

 

 

 

 

 

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